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Mein Job bringt es mit sich, dass ich mich manchmal weit aus dem Fenster lehnen muss. Dabei laufe ich Gefahr, mich (mitunter heftigem) Widerspruch auszusetzen. Mir wurde sogar vorgeworfen, die Schwellenmärkte zu optimistisch zu bewerten – vielleicht weil meine Ansichten oft in so krassem Kontrast zu den dramatischen Schlagzeilen der Nachrichtenmedien stehen. Erfreut stellte ich daher bei der Durchsicht der Ergebnisse der Franklin Templeton Investments-Erhebung 2013 Global Investor Sentiment Survey (GISS),[1] fest, dass mein hartnäckiger Optimismus im Hinblick auf die Schwellenmärkte allmählich im Anlegerpublikum Fuß fasst. Der GISS-Umfrage zufolge beurteilen in Schwellenländern ansässige Anleger die Aussichten ihrer Märkte für dieses und die nächsten zehn Jahre zuversichtlicher als Investoren aus Industrieländern. Unter den Umfrageergebnissen fand ich besonders interessant, dass viele Anleger offenbar zumindest die Vorteile einer global gestreuten Kapitalanlage erkennen, auch wenn sie ihr Geld bisher nach wie vor größtenteils heimatnah anlegen. Allem Anschein nach wollen die meisten ihr Kapital weiterhin auf ihren lokalen Märkten investieren (also „heimatorientiert“), doch viele beabsichtigen nach eigenen Angaben, ihre Allokationen auf andere Märkte einschließlich der Schwellenmärkte aufzustocken.
Der GISS-Umfrage zufolge rechneten 58% der in Industrieländern ansässigen Anleger für dieses Jahr mit einem Aufwärtstrend ihres lokalen Aktienmarkts. Investoren aus Schwellenländern zeigten sich sogar noch optimistischer und gingen zu 66% davon aus, dass ihre heimischen Aktienmärkte 2013 deutlich aufwärts tendieren. Ebenso rechneten Anleger aus Schwellenländern mit höheren Erträgen auf ihre Anlagen. Sie erwarteten im Durchschnitt 12% in diesem und 18% über die nächsten zehn Jahre. In den Industrieländern waren die Anleger auf einen Durchschnittsertrag von 7% für 2013 und 10% für die kommenden zehn Jahre eingestellt. Das finde ich bemerkenswert, da für dieses Jahr für die Schwellenmärkte generell auch höhere Wachstumsraten erwartet werden als für Industrieländer, obwohl die Aktienmarkterträge nicht immer direkt mit den Wachstumsraten korrelieren. Wir gehen ferner davon aus, dass die lockere Geldpolitik der Zentralbanken in aller Welt mehr Kapital auf Schwellenmärkte lenken könnte.
Die Erwartung, dass die Hausse, die wir in den letzten zehn Jahren insgesamt auf den Schwellenmärkten beobachtet haben, weitergehen könnte, bestätigt sich nach unserem Eindruck. Wir wissen, dass die Marktstimmung die Marktrichtung beeinflussen kann, sodass die positive Stimmung in den Schwellenländern einer der Gründe sein könnte.
Natürlich wird nicht jedes Jahr für die Schwellenmärkte spektakulär verlaufen. Es wird unweigerlich auch Phasen geben, in denen sie gegenüber den Industrieländern in Rückstand geraten.
Die fundamentale Story – Wachstum
Wie angesprochen, waren die Wachstumsraten in den Schwellenländern im letzten Jahr mit Blick auf die Fundamentaldaten generell höher als in den Industrieländern. Damit rechnen die Wirtschaftsprognostiker auch für 2013. Der Internationale Währungsfonds (IWF) setzt für dieses Jahr für die Schwellen-/Entwicklungsländer allgemein ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 5,3% an, für Industrieländer/hochentwickelte Volkswirtschaften dagegen 1,2%.[2]
Insgesamt könnte der Trend nach unserer Erwartung auch in den kommenden Jahren ganz ähnlich aussehen. Besonderes Potenzial weisen unseres Erachtens in dieser Hinsicht Schwellenländer in Asien und Afrika auf.
Devisenreserven – und Schuldenlast
2005 überstiegen die Devisenreserven der Schwellenländer allgemein allmählich die der Industrieländer, und der Abstand vergrößert sich. Auch bezüglich des Schuldenstands stehen Schwellenmärkte unserer Ansicht nach besser da. Insgesamt geht die Verschuldungsquote in Schwellenländern zurück, während sie in den Industrieländern ansteigt. (Was in den USA und in Europa los ist, wissen wir ja alle.)
Dass soll nicht heißen, dass die Schwellenmärkte fundamental gar keinen Anlass zur Sorge geben. In der Vergangenheit haben sie unter Inflation gelitten. Die Preise für Nahrungsmittel und Energie können drastische negative Effekte auf den Lebensstandard der Menschen haben. In den frühen 1990er-Jahren zog die Inflation in Schwellenländern rasch an, vor allem in Lateinamerika. In Brasilien erhöhte sich die Inflationsrate (gemessen vom Verbraucherpreisindex) in den 1980er- und 90er-Jahren im Jahresvergleich beispielsweise gleich um mehrere hundert oder gar tausend Prozent. In den letzten Jahren ist die Teuerung in Brasilien und verschiedenen anderen Schwellenländern aber zurückgegangen. Entsprechend sind auch die Zinsen gesunken, da die Politik mehr Spielraum für Konjunkturanreize hat. In Brasilien hat sich die Inflationsrate in den letzten zwei Jahren zwischen 5% und 7% bewegt.
Anlegererwartungen – Nach Region und Land
Aufschlussreich ist, dass aus den GISS-Ergebnissen nach Regionen besonders ausgeprägter Optimismus – und entsprechende Ertragserwartungen – in Lateinamerika hervorging. Im Schnitt hatten dort ansässige Anleger die höchsten Erwartungen für die diesjährige Entwicklung ihres heimischen Aktienmarkts. 75% glaubten an einen Aufwärtstrend. Besonders interessant finde ich das in Anbetracht der Tatsache, dass die Region sonst oft negativ auffällt – vor allem durch Armut, Kriminalität und dergleichen. Offensichtlich hat diese Geschichte mehrere Aspekte.
Auf Einzellandebene waren die Anleger in Indien unter allen in die Erhebung einbezogenen 19 Ländern am optimistischsten (85%) in Bezug auf ihren Aktienmarkt. Sie rechneten für das laufende Jahr mit einem durchschnittlichen Anlageertrag von 15%. Den GISS-Ergebnissen nach zu urteilen haben die indischen Anleger also ganz sicher hohe Erwartungen! Die Gründe für ihre besondere Zuversicht kennen wir nicht genau, aber ich kann sagen, dass mein Team und ich die langfristigen Aussichten des Landes nach wie vor positiv beurteilen und nach einem schwierigen Jahr 2012 an das Potenzial neuer politischer Initiativen der Regierung glauben.
Eine letzte Feststellung der Studie, die ich aufschlussreich fand, war folgende: Generell warten Schwellenländer mit einer jungen Bevölkerung auf, was unseres Erachtens für die langfristigen Wachstumsaussichten günstiger ist als eine rasch alternde Bevölkerung. Die GISS-Erhebung machte deutlich, dass jüngere Anleger (der Altersgruppe 25 – 34) eher daran dachten, einen Teil ihres Kapitals im Ausland anzulegen (also außerhalb ihres Heimatlands). Das galt sowohl für 2013 (mit durchschnittlich 40% gegenüber 30% bei Anlegern über 35) als auch für die nächsten zehn Jahre (im Schnitt 43% gegenüber 33% bei Anlegern über 35). Für die nächsten zehn Jahren gingen Anleger aller Altersgruppen davon aus, dass sie einen größeren Teil ihres Kapitals in Industrie- und Schwellenländern anlegen, aber immer noch überwiegend im eigenen Land investieren werden. Die global eingestellten jungen Anleger liegen meines Erachtens richtig!