Investmentabenteuer in den Emerging Markets

Notizen aus dem Grenzmarkt Nigeria

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Viele  Grenzmärkte sind auch gerade im Moment für uns ganz besonders attraktiv. Das liegt daran, dass eine Reihe Industriestaaten und selbst einige etablierte Schwellenmärkte in diesem Jahr schwache BIP-Wachstumstrends verzeichnen. Grenzmärkte gelten als Unterkategorie der Schwellenmärkte. Sie sind oft kleiner und weniger entwickelt. Meine Reisen führten mich vor kurzem in einen der größten Grenzmärkte, Nigeria. Hier konnten mein Team und ich die Veränderungen beobachten, die im Land vor sich gehen, und mit Firmeneigentümern und Managern über die Herausforderungen im Land sprechen. Während wir nach potentiellen Investmentmöglichkeiten suchten erlebten wir auch einige Überraschungen.

Nigeria ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Das BIP-Wachstum lag seit 2003 jedes Jahr bei über 6 %.[1] Mit einer Bevölkerung von mehr als 170 Millionen Menschen ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Im weltweiten Vergleich liegt es an siebter Stelle. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnte Nigeria bis zum Jahr 2050 unter die drei bevölkerungsreichsten Länder gelangen und somit potenziell die USA überholen.[2] Als Land, dessen Bevölkerung sich aus mehr als 500 verschiedenen ethnischen Gruppen zusammensetzt, hat Nigeria leider auch eine tragische Geschichte voller Konflikte und Machtkämpfe. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 hatte Nigeria acht Militärregierungen, zahllose Zivilregierungen und erlebte einen Bürgerkrieg, der 30 Monate währte. Im April 2011 gewann Goodluck Ebele Jonathan die Wahlen und wurde Präsident des Landes. Jonathan und seiner Partei stellen sich heute zahlreiche Herausforderungen, vor allem auch dringend erforderliche Reformen, insbesondere in den Sektoren Öl und Energie.  Die wirtschaftlichen Probleme haben die ethnischen und religiösen Spaltungen im Land noch weiter verstärkt. Die Pro-Kopf-Einkommen sind niedrig und es gibt nach wie vor viele Disparitäten.

Mark Mobius in Lagos, Nigeria

Die Bedeutung des Öls – und der Sicherheit

Die Ölexporte, die für die Wirtschaft von größter Bedeutung sind, wurden mehrere Male durch Konflikte im Niger-Delta gestört. Dort sind die Ölvorräte vorrangiges Ziel von Dieben. Ein Amnestieprogramm verringerte zwar die Anzahl der Übergriffe, die Gefahr der Instabilität besteht jedoch weiter.

Sicherheit wird auch in Zukunft ein wichtiger Aspekt der Geschäftstätigkeit in Nigeria sein. Das heißt aber nicht unbedingt, dass überall im Land Gefahr lauert. Die größten Sicherheitsrisiken sind regional und insbesondere in den nördlichen Regionen und dem Niger-Delta. Sie gehen vor allem von militanten Islamisten wie den Boko Haram aus und richten sich gegen Sicherheitskräfte, religiöse Stätten, Telekommunikationseinrichtungen und staatliche Infrastruktur. Aufgrund der vernetzten Patronatsstruktur stellt Korruption ebenfalls ein großes Problem dar. Ermutigend ist, dass die politische Führung in Nigeria sich über die Notwendigkeit ein Gleichgewicht der Machtverhältnisse zwischen den Regionen zu schaffen im Klaren ist. Sie arbeitet daran die Situation nach besten Kräften zu verbessern.

Ein Teil des Problems lässt sich auf die staatliche Förderung raffinierter Erdölprodukte zurückführen, was zu enormen Schmuggelaktivitäten geführt hat. Dabei wird der subventionierte Kraftstoff aus dem Land geschmuggelt und dann zu höheren Marktpreisen verkauft. Anfang 2012 kürzte die Regierung diese staatliche Förderung um die Hälfte und erklärte ihre Absicht, sie in naher Zukunft ganz abzuschaffen. Dies dürfte unserer Ansicht nach dazu beitragen, die durch den Schmuggel verursachten Probleme zu verringern. Öldiebstahl ist generell ein großes Problem in Nigeria. Schätzungen zufolge wird etwa 10 % der gesamten Ölproduktion gestohlen. Die Produktion liegt derzeit bei ca. 2 Millionen Barrel pro Tag (oder etwa 700 Millionen Barrel pro Jahr)[3]. Somit werden pro Jahr etwa 70 Millionen Barrel Öl gestohlen.

Ein weiteres Problem stellt für Unternehmen und Verbraucher in Nigeria die Inflation dar, die allerdings im letzten Jahrzehnt gesunken ist. Bei der derzeitigen Entwicklung könnte die Inflation, gemessen am Verbraucherpreisindex, das Jahr im einstelligen Bereich abschließen[4]. Das ist eine gewaltige Verbesserung gegenüber den 90-iger Jahren, als die jährliche Inflationsrate über 50 % lag. Unserer Meinung nach könnte die nigerianische Zentralbank bei sinkender Inflation über mehr Flexibilität bei der Senkung des Leitzinses verfügen. Dieser liegt seit Ende 2011 (mit 12 %) recht hoch.

Die Investitionslandschaft

Nigeria verfügt über reichhaltige Bodenschätze, wird derzeit aber durch den kritischen Mangel an Infrastruktur zurückgehalten. Die meisten Hotels und Unternehmen benötigen aufgrund der Unzuverlässigkeit der staatlichen Stromversorgung ihre eigenen Benzin- oder Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung. Dies ist stellvertretend für den generell erhöhten Energieversorgungsbedarf in Schwellenmärkten und insbesondere in Grenzmärkten. Ein südkoreanisches Unternehmen gab kürzlich die äußerst willkommene Zusage, über die nächsten zehn Jahre 30 Mrd. US-Dollar in den nigerianischen Stromsektor investieren zu wollen. Im Mai kündigten Weltbank und IWF ebenfalls Pläne zur Investition von ca. 1 Mrd. US-Dollar in den Energiesektor des Landes an. Ausländische Investitionen, wie diese in den nigerianischen Energiesektor, könnten das Wirtschaftswachstum weiter ankurbeln.

Jüngste Regierungspläne zur Privatisierung des Energiesektors haben der Möglichkeit drastisch steigender, zukünftiger ausländischer Investitionen Tür und Tor geöffnet. Dadurch könnte die Belastung des Staatshaushalts durch staatliche Förderungen verringert und rentablen Unternehmen, die in der Lage sind Steuern zu bezahlen, Grund und Boden bereitet werden. Der mehrere Milliarden Dollar umfassende Plan sieht den Verkauf von vier thermischen Kraftwerken, zwei Wasserkraftwerken und elf regionalen Stromversorgern vor. Bei Erfolg dürften die Folgen der Elektrizitätsknappheit und der hohen Kosten einer alternativen Stromversorgung, die die Wirtschaftsaktivität bisher behindert haben, abgeschwächt werden. Das könnte auf lange Sicht auch zu einem höheren Wachstum führen.

Während die meisten Anleger den Ölreichtum Nigerias genau kennen, sollte man auch in Betracht ziehen, dass Nigeria heute 117 verschiedene Rohstoffe weltweit in 103 Länder exportiert. Obwohl Öl vorherrschendes Exportgut bleibt, gibt es in Nigeria einige nicht im Ölgeschäft tätige Unternehmen, bei denen wir potentielle Chancen sehen. Kürzlich haben wir einige von ihnen besucht, unter anderem auch einen großen Zementhersteller.

Die Geschäftsführer des Zementherstellers erzählten uns von Ihren Plänen, ihre Produktionskapazität vor Ort bis 2016 um etwa 9 Millionen Tonnen pro Jahr zu steigern.  Zur Förderung lokaler Produktionsbetriebe gewährt die Regierung neuen Fabriken 3-5 Jahre Steuerfreiheit. Nigeria verfügt über große, hochwertige Kalksteinvorkommen – das Rohmaterial zur Zementherstellung – sowie relativ kostengünstiges Gas zum Betrieb der Fabriken. Die Inlandsnachfrage nach Zement steigt pro Jahr um ca. 10 %. Dabei wird der meiste Zement an den Privatsektor geliefert und nur relativ wenig an den öffentlichen Sektor. Wir werten dies als einen Hinweis für eine nach wie vor fehlende Infrastrukturausgaben in Nigeria. Eine Änderung dieses Trends scheint allerdings vorprogrammiert zu sein.

Ein Mitglied der Geschäftsleitung erzählte uns, Nigeria werde oft unterschätzt. Größte Herausforderung aus seiner Sicht? Der Mangel an effektivem politischem Willen und insbesondere eine geringe Bereitschaft zur Förderung der Landwirtschaft im Inland. Nigeria importiert Lebensmittelprodukte im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Er glaubt allerdings auch, dass die Regierung im Großen und Ganzen konstruktiv vorgehe und über ein gutes Beraterteam in Wirtschaftsangelegenheiten verfüge.

Besuch einer Zementfabrik in Nigeria

 Wir besichtigten auch eine Brauerei. Die leitenden Angestellten des Unternehmens erzählten uns, das Betriebsumfeld leide unter der Erhöhung der Kraftstoffpreise und den hohen Energiekosten. Außerdem sei die Auslieferung aufgrund der schwierigen Sicherheitslage manchmal problematisch. Das eigentliche, zur Instabilität beitragende Problem sei aber die hohe Arbeitslosigkeit. Die Bevölkerung sei jung und schnell wachsend und suche Arbeit. Obwohl die Definition von „Mittelklasse“ nicht genau der hoch entwickelter Länder entspricht gibt es eine zunehmend wachsende Klasse von Verbrauchern, die über ein steigendes frei verfügbares Einkommen verfügt. Hersteller von Lebensmitteln und Getränken erhoffen sich davon profitieren zu können.

Nigerias reformiertes Banksystem hat vielen Ausländern über attraktive Angebote ermöglicht, in die schnell wachsende Binnenwirtschaft zu investieren. Der Banksektor ist wichtig. Nicht nur wegen der steigenden Zahl der Mikrofinanzierungen, sondern auch aufgrund des Einstiegs der Banken in das Privatkundengeschäft. Bis vor kurzem finanzierten Banken über den Ankauf von Anleihen vor allem große Unternehmen oder den Staat. Nach der Bankenkrise 2008 führte die Central Bank of Nigeria (CBN) eine Prüfung des kommerziellen Banksektors durch. Keine der Banken bestand die Prüfung. Die CEOs aller Banken wurden ausgetauscht. Es wurde die in staatlichem Besitz stehende Asset Management Corporation (AMCON) geschaffen. Aufgabe der AMCON war es, Not leidende Kredite aufzukaufen und ungesunde Banken zu rekapitalisieren. Eine vor Kurzem durch den IWF durchgeführte Prüfung der Banken des Landes zeigte einen erheblichen Anstieg der Gewinne in der Branche im Jahr 2012. Dabei lag die Eigenkapitalquote über dem Mindesterfordernis von 10 %. Die Quote Not leidender Kredite lag unter der vorgeschriebenen Schwelle von 5 %. [5]

Leitende Angestellte einer nigerianischen Bank, die wir besuchten, sprachen ganz offen über die Herausforderungen, die sich ihnen stellen. Demnach ist der Markt aufgrund politischer Unsicherheiten, einer potenziell schwankungsintensiven Währung sowie staatlichen Beeinflussungen und Korruption grundsätzlich risikoreich. Erfreulich sei, dass die Sanierung der Banken durch AMCON nun abgeschlossen ist. So könnten die Banken jetzt auf Erreichen ihrer Wachstumsziele und eine höhere Rentabilität hinarbeiten. Sie erwarteten Wachstum aus der Kreditvergabe für Infrastrukturprojekte, den Energiesektor und die Landwirtschaft. Außerdem expandiere das Privatkundengeschäft stark. Wie mehrere nigerianische Banken ist auch diese Bank ein multinationales Unternehmen mit Geschäftstätigkeit außerhalb des Landes. 

 Ein weiteres Unternehmen von uns besuchtes Unternehmen ein nigerianischer Mischkonzern mit Schwerpunkt Lebensmittel. Das Unternehmen ist Betreiber von Fastfood-Restaurants und verfügt über ein Angebot von Markenprodukten. Es versorgt somit einen großen Teil der Bevölkerung. Die Geschäftsleitung erwähnte die Sicherheitsprobleme, insbesondere im Norden des Landes, von denen wir bereits anderenorts gehört hatten. Dadurch werde die Produktion und der Vertrieb beeinträchtigt. Möglicherweise noch wichtiger aus Sicht dieses Unternehmens waren die gestiegenen Importzölle und Abgaben für Weizen, die sich auf die Herstellungskosten bei der Lebensmittelherstellung und für Restaurants auswirkten.

Im Ölsektor besuchten wir ein Unternehmen, das seine Strategie geändert und sich von einem einfachen, regionalen Öl-Vertriebskonzern zu einem integrierten „Energiekonzern“ gewandelt hatte. Die Geschäftsaktivitäten bestehen heute nicht mehr nur aus der Vermarktung von Erdölprodukten, sondern auch aus Exploration und Förderung von Rohöl, internationalem Ölhandel, Gas und Energielösungen, sowie unterstützende Dienstleistungen im Ölsektor.

Wie bei allen unseren Reisen waren die Besuche dieser nigerianischen Unternehmen wichtig für uns, um zu erfahren welche Probleme Unternehmen haben und wie sie mit ihnen umgehen. Wir glauben, die nigerianische Wirtschaft und institutionelle Politik dürften sich im Rahmen der Reformbemühungen verbessern, und wir glauben, die Investmentmöglichkeiten im Land werden steigen. Nigeria ist ein faszinierendes Investmentziel für uns – nicht nur wegen der reichen Ölvorkommen im Land. Die staatlichen Bestrebungen bei Privatisierung und Investitionen in Industrien wie Bergbau, Landwirtschaft, Finanzwesen und industrielle Fertigung zur Diversifizierung der Abhängigkeit vom Ölgeschäft dürften auf lange Sicht positive Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten.



[1] Quelle: The World Bank, BIP-Wachstum (jährlich %), World Development Indicators.

[2] Quelle: Pressemitteilung der Vereinten Nationen vom 30. Juni 2013. „World populations projected to reach 9.6 billion by 2050 with most growth in developing regions, especially Africa.“ 

[3]  Quelle: U.S. Energy Information Administration, August 2013.  

[4]  Quelle: National Bureau of Statistics, Nigeria, „Statistical News“ (Nr. 520, Juni 2013)

[5]Quelle: IWF Länderbericht Nr. 13/140, „Nigeria: Financial Sector Stability Assessment,“, Mai 2013. Copyright (c) 2013 Internationaler Währungsfonds. Alle Rechte vorbehalten.

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