Investmentabenteuer in den Emerging Markets

Frischer Wind im saudischen Investmentklima

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Saudi_currency_Frischer Wind könnte das Investmentklima in Saudi-Arabien grundlegend verändern. Offenbar kommt es womöglich schon bald zu einem besonders gespannt erwarteten Finanzereignis im Nahen Osten – der Öffnung des saudischen Aktienmarkts für ausländische Anleger.

In Saudi-Arabien liegen die Wurzeln des Islam. Dort suchen die Muslime der Welt spirituelle Zuflucht in den heiligen Städten Mekka und Medina. Das Land galt bei vielen wegen seiner rauen, öden Wüstenlandschaft und den extremen Temperaturen als absolut unwirtlich. Das Investmentklima für ausländische Investoren könnte jedoch freundlicher werden, nachdem die Finanzaufsichtsbehörde des Königreichs, die Capital Market Authority (CMA) in Riad, mitgeteilt hat, dass Ausländer ab 2015 Aktien des saudischen Tadawul All Share Index kaufen und verkaufen können. Bis zur Umsetzung dieser bahnbrechenden Entscheidung haben Anleger, die nicht aus den sechs Staaten des Golfkooperationsrats (GKR) kommen, nur indirekten Zugang zum Markt – nämlich über Swaps und börsengehandelte Indexfonds (ETFs).

Der 2005 erfolgte Beitritt Saudi-Arabiens zur Welthandelsorganisation (WTO) bereitete den Boden für die Öffnung des Königreichs für mehr ausländische Anlagen und animierte die saudische Regierung zur weiteren Reform und Diversifizierung der Wirtschaft.

Aus meiner Sicht verändert diese Ansage der CMA die Spielregeln für die Region. Die 745 Mrd.[1] US-Dollar schwere saudische Wirtschaft stellt viele andere Länder der Region in den Schatten, und der Markt ist gut kapitalisiert und ausgereift. Die Handelsliquidität ist auf dem saudischen Aktienmarkt so hoch wie sonst nirgends in der Region, und die IPO-Pipeline des Landes ist im regionalen Vergleich am besten bestückt. Manche Experten spekulieren auf eine Hochstufung Saudi-Arabiens auf Schwellenmarktstatus durch den Indexanbieter MSCI innerhalb der nächsten zwei Jahre. Damit würde Saudi-Arabien die „Grenzmarkt“-Stufe überspringen und vermutlich größeres Anlegerinteresse auf sich ziehen.

Saudi-Arabien ist der größte Produzent der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC). Öl hat seit jeher großen Einfluss auf die Staatseinnahmen und das BIP. Doch wie wir es sehen, hat die saudische Wirtschaft Anlegern mehr zu bieten als nur Ölreichtum. Uns beeindruckt das Management vieler saudischer Unternehmen – nicht nur im Energiesektor. Wir favorisieren Banken ebenso wie konsumorientierte Unternehmen wie Einzelhändler oder Anbieter von Nahrungsmitteln und Getränken, die neben dem saudischen Markt auch den breiteren Nahen Osten beliefern. In Saudi-Arabien bieten sich unseres Erachtens viele potenzielle Chancen, die wir engagiert ausfindig machen. Für uns steht dabei – besonders im Hinblick auf den Markttrubel um die Nachricht von der potenziellen Zulassung ausländischer Direktinvestitionen – auch die Suche nach Aktien zu attraktiven Kursen im Vordergrund. Mittelfristig rechnen wir mit einer kontinuierlichen Zunahme des Anlegerinteresses im Vorfeld der voraussichtlichen späteren Aufnahme Saudi-Arabiens in globale Indizes. Nicht auszuschließen sind allerdings gewisse spekulative Übertreibungen, wie sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar zu beobachten waren, nachdem MSCI die Beförderung dieser Länder von Grenz- zu Schwellenmärkten bekannt gab. In beiden Fällen folgten drastische Korrekturen. Die Saudis können solche Marktvolatilität hoffentlich vermeiden, indem sie den richtigen Rahmen für Anleger schaffen und ausländische Aktivitäten behutsamer integrieren.

Saudi-Arabien verzeichnete 2013 einen ausgeprägten Leistungsbilanz- und Haushaltsüberschuss. Ursächlich waren hohe Öleinnahmen – durch Förderung und Preisentwicklung. Die Regierung hat in den letzten Jahren kräftig in etliche Projekte zur Diversifizierung der Wirtschaft und zur Förderung des Wirtschaftswachstums investiert. Unserer Ansicht nach ist Saudi-Arabien in einer guten Ausgangsposition für weitere Ausgaben. Die Devisenreserven liegen derzeit über 100% des BIP.[2] Das Land weist auch eine beachtliche Wachstumsrate aus. Das BIP-Wachstum betrug in den letzten vier Jahren im Schnitt mehr als 6%, wird 2014 allerdings offenbar leicht gebremst.[3]

Herausforderungen für Saudi-Arabien

Während Wirtschafts- und Investmentklima auf uns positiv wirken, hängen auch ein paar Wolken über dem Land, vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Der Altersmedian der saudischen Bevölkerung liegt bei 26,4[4]. 2010 arbeiteten rund 8,5 Millionen Ausländer in der saudischen Wirtschaft, fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung[5]. Das zeigt, warum Beschäftigung für die Einheimischen ein wichtiges Thema ist. Die Regierung hat sich des Problems angenommen. Sie fördert die berufliche Aus- und Weiterbildung durch Einrichtung der König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie. Aus meinen Gesprächen der letzten Jahre mit saudischen Regierungsvertretern schließe ich, dass der Schwerpunkt verstärkt auf der Schulung und Einstellung des großen jungen Bevölkerungssegments liegt, dem generell die Ausbildung und Fachkenntnisse fehlen, die die Wirtschaft braucht. Kurz- bis mittelfristig könnte weiterhin ein Missverhältnis bestehen zwischen den Absolventen des nationalen Bildungssystems und den Anforderungen der Wirtschaft.

Insgesamt sind unseres Erachtens mehr Arbeitsplätze in der Wirtschaft erforderlich. Zwei Drittel der Saudis sind im öffentlichen Dienst beschäftigt. Wie wir es sehen, brauchen junge Leute mehr Anreiz und Ausbildung, um ein breiteres Spektrum qualifizierter Tätigkeiten auszuüben, die in der Wirtschaft gefragt sind. Interessant ist dabei, dass das Arbeitsministerium des Königreichs Saudi-Arabien unlängst eine Partnerschaft mit der Harvard University und dem Massachusetts Institute of Technology zur Einführung eines Online-Kurs-Projekts für das Land im Herbst vorgestellt hat. Zu dieser Initiative gehört auch ein einzigartiges, auf saudische Frauen, Jugendliche, Behinderte und Bürger ländlicher Kommunen ausgerichtetes Pilotprogramm, die bislang oftmals weniger Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungschancen haben.

Natürlich sind geopolitische Belange in der Region immer ein Problem. Der Arabische Frühling, ein Druckpunkt für manche Länder im Nahen Osten, löste in Saudi-Arabien nur begrenzte Aufforderungen zu Protesten aus. Das lag zum Teil am Aufschwung und am insgesamt steigenden Lebensstandard, aber auch an der Popularität des Königs und seiner Reformen. Die in der jüngeren Zeit in der Region auftretenden Spannungen hatten bisher keine größeren Auswirkungen auf die saudische Wirtschaft, abgesehen vielleicht von gewissen Ölpreisschwankungen.

Für uns repräsentiert Saudi-Arabien sehr gut das Wachstum in der Golfregion. Steigendes Anlegerinteresse an Saudi-Arabien dürfte Ausstrahlungseffekte haben. Wir sind zuversichtlich, dass mehr ausländisches Anlagekapital dem Land und der Region langfristig Vorteile bringt, und wir finden die potenziellen Chancen spannend, die sich Anlegern an diesem Wendepunkt eröffnen könnten.

 

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[1] Quelle: Weltbank, 2013, BIP (aktuelle USD).

[2] Quelle: IWF, World Economic Outlook Database, April 2014. © by International Monetary Fund. Alle Rechte vorbehalten.

[3] Quelle: Ebenda.

[4] Quelle: CIA, The World FactBook, 2014 est.

[5] Quelle: Informationsbüro der königlichen Botschaft Saudi-Arabiens in Washington, DC, Zensus 2010

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