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In den letzten Monaten hat China eine langjährige Kampagne zur Aufnahme der Währung des Landes (die offiziell als Renminbi [RMB] bezeichnet, aber auch Yuan genannt wird) in die Komposition der Special Drawing Rights (SDR) des Internationalen Währungsfonds (IWF) intensiviert. Zwar schreiben die Medien seitenweise über die potenziellen Marktauswirkungen, falls die chinesische Währung einen internationalen Reservewährungsstatus erhalten sollte – d. h. von Notenbanken und anderen führenden Finanzinstituten gehalten werden kann zur Abzahlung internationaler Verbindlichkeiten – doch ist das Thema irgendwie undurchsichtig. SDRs sind eine synthetische Quasi-Währung, die sich aus einem Korb weithin gehandelter Währungen zusammensetzt. Sie werden vom IWF für Bilanzierungszwecke und als Medium für die Allokation von Vermögenswerten an Mitgliedsstaaten verwendet. Für den privaten Handel und Finanzgeschäfte spielen sie so gut wie überhaupt keine Rolle. Sie sind jedoch eine Art Qualitätssiegel des IWF, dass eine Währung über die notwendigen Qualitäten verfügt, um als internationale Reservewährung zu dienen. In der Tat gelten SDR-Währungen automatisch als akzeptable Reservewährungen, während andere Währungen bestimmte Kriterien für eine vollständige Wandelbarkeit erfüllen müssen, damit sie den gleichen Status erreichen.
Bis vor kurzem galten für die Nutzung des RMB umfassende Beschränkungen der chinesischen Regierung. Die Behörden schienen die Kontrolle, die eine isolierte Währung der Geld- und Haushaltspolitik im Inland ermöglicht, für wichtiger zu erachten als den potenziellen Nutzen einer vollständigen Teilnahme an den globalen Finanzmärkten. Die Haltung der Regierung hat sich in den letzten Jahren jedoch mit den marktorientierten Wirtschaftsreformen und einer stärker nach außen gerichteten Außenpolitik, einschließlich der Maßnahmen zur Unterstützung einer weitreichenderen Nutzung des RMB, gewandelt.
Die vier Währungen mit SDR-Status – der US-Dollar, der Euro, das britische Pfund und der japanische Yen – bilden derzeit die überwältigende Mehrheit der globalen, internationalen Währungsreserven. Als Folge dessen dominieren sie auch die internationalen Anleihenmärkte und globale Finanztransaktionen. In den letzten Jahren lässt der steigende Anteil, den Schwellenmärkte, und insbesondere China, am globalen Handel ausmachen, diesen Zustand auf gewisse Weise anachronistisch erscheinen. Die chinesische Regierung bemühte sich bereits im Jahr 2010, der letzten Prüfung der SDR-Struktur durch den IWF, um eine Aufnahme des RMB in die SDR. Dies wurde jedoch abgelehnt. Unserer Ansicht nach erscheinen die Erfolgsaussichten für das im Oktober 2015 stattfindende Treffen hoch.
Der potenzielle Nutzen für China
Der Status als Reservewährung und die Internationalisierung des RMB könnten China auf mehrere Weise Nutzen bringen, u. a. eine potenzielle Senkung der Kreditkosten und Erleichterung einer Expansion chinesischer Unternehmen im Ausland. Dies würde grenzübergreifende Verträge über wichtige Rohstoffe, wie Eisenerz, mit Preisen in RMB ermöglichen. Dadurch würden die Währungsrisiken, die sich aus Preisen in US-Dollar ergeben, reduziert. Vor allem aber würde der Weg bereitet, einen Teil der enormen Devisenreserven Chinas in ökonomisch produktivere Richtungen zu lenken. Letztgenannte Maßnahme könnte das Wirtschaftswachstum sowohl in China, als auch global gesehen möglicherweise stimulieren. Andere Länder, die über eine Reservewährung verfügen, halten im Verhältnis zu ihrem Bruttoinlandsprodukt viel geringere Reserven als China; die USA sind derzeit dazu in der Lage, effektiv ganz ohne Reserven auszukommen. Gleichzeitig könnten Investmentprojekte im Ausland, wie Chinas ambitionierte „One Belt, One Road“ und „Neue Seidenstraße“ Initiativen zum Aufbau von Handelsinfrastrukturen mit benachbarten Ländern sowie private Initiativen potenziell attraktiven, neuen Bedarf für Ressourcen schaffen, die derzeit in Währungseinlagen und Schatzanleihen gebunden sind.
Zur Aufnahme einer Währung in die SDRs macht der IWF es primär erforderlich, dass sie in Hinblick auf ihren Anteil am globalen Handel wichtig, aber auch „frei gebräuchlich“ ist, ein Begriff, der weiterhin in „weithin gebräuchlich“ und „weithin gehandelt“ aufgegliedert ist. Der RMB war bereits 2010 im globalen Handel weithin vertreten, der IWF entschied aber, dass die Währung nicht das „weithin gebräuchlich“ Kriterium erfüllte. Gleichzeitig war der RMB keine international wandelbare Währung. Der Wechselkurs gegenüber anderen Währungen wurde von der chinesischen Regierung streng auf einem Niveau reguliert, das viele Kommentatoren für eine signifikante Unterbewertung hielten. Gleichzeitig fehlte dem unausgereiften lokalen Banksystem die Fähigkeit, viele der Instrumente anzubieten, die von internationalen Unternehmen für die Steuerung ihres Währungsmanagements benötigt werden. Eine Form des RMB, der sogenannte „Offshore-RMB“ war über ein paar in Hongkong ansässige Banken erhältlich. Er ließ sich aber im Vergleich mit anderen Währungen nur mit Mühe handeln und sein Wert auf den Devisenmärkten unterschied sich von dem des Onshore-RMB.
Seit 2010 hat sich viel geändert und der Veränderungsprozess beschleunigt sich. Die Zahl der Offshore-Zentren, in denen der RMB gehandelt wird, steigt. Gleichzeitig können in der Shanghai Free Trade Zone (FTZ) mit einigen Beschränkungen Devisentransaktionen zwischen dem Festland und angeschlossenen Offshore-Unternehmen ausgeführt werden. Zeitgleich hat sich die People’s Bank of China (PBOC) einer Reformpolitik in Hinblick auf das Banksystem des Landes zugewandt, indem sie die Zinsbindung abgeschafft und ein Einlageversicherungssystem eingeführt hat. Das sind zwei wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Schaffung eines Systems, das vollständig in der Lage ist, an den internationalen Finanzflüssen zu partizipieren. Wichtig ist: Viele Stellen – auch der IWF – sind der Überzeugung, der RMB sei fair bewertet. Der Status als Reservewährung würde eine Aufgabe der aktuellen Kopplung des RMB an den Dollar implizieren.
Eine neue Währungs-Verbindung
Die Öffnung des Shanghai-Hong Kong Connect Programms gegen Ende 2014, das es ausländischen Anlegern ermöglicht, frei in qualifizierte chinesische A-Aktien zu investieren, die in der Vergangenheit ausschließlich auf chinesische Staatsbürger bzw. Ausländer mit Sondergenehmigungen beschränkt waren, wurde als wichtiger Schritt bei der Internationalisierung des RMB gewertet. Das Programm ermöglicht es Anlegern, auf dem Festland auch Aktien in international gehandelten Märkten in Hongkong zu erwerben. Die anfänglichen Auswirkungen waren jedoch geringer als erwartet und nur ein kleiner Teil der zulässigen täglichen Handelsquoten wurde auch tatsächlich genutzt. Die Situation änderte sich im April 2015 mit der Ankündigung von Maßnahmen, die es Investmentfondsmanagern auf dem Festland erlauben, Aktien in Hongkong zu kaufen (die zu deutlich niedrigeren Bewertungen gehandelt wurden). Die Beschränkungen bei der Nutzung von Stock Connect durch Privatanleger wurden ebenfalls gelockert. Mit dem bekanntwerden dieses Schritts stieg die Nutzung des Stock Connect Programms stark, so dass Handelsquoten gelegentlich überschritten wurden und sich weit über dem vorherigen Niveau bewegten. Im Mai folgte die Ankündigung eines Programms der „gegenseitigen Anerkennung“, das für Manager von Investmentfonds auf dem Festland und in Hongkong den Weg ebnet, ihre Fonds auch in anderen Märkten anzubieten. Wenn die gegenseitige Anerkennung in Kraft tritt, werden Anleger in Festland-China unserer Meinung nach aufgrund der größeren Zahl an Anlagemöglichkeiten am stärksten davon betroffen sein. Diese jüngsten Entwicklungen könnten auch einen Beitrag dazu leisten, dass der Aktienmarkt in Shanghai stärker in die globalen Finanzmärkte integriert wird, wodurch die effektive globale Nutzung des RMB deutlich zunehmen dürfte.
Im Zusammenhang mit Direktinvestitionen in China bestehen jedoch nach wie vor diverse Ungewissheiten – insbesondere die anhaltenden Befürchtungen, eine „ausgesetzte“ Kapitalertragssteuer könnte wieder in Kraft gesetzt werden, sowie die Möglichkeit, dass ein sog. „Short Swing“ Gesetz dazu führt, dass Kapitalerträge aus größeren Anlegerpositionen in individuellen Unternehmen enteignet werden könnten. Das dämpft derzeit unseren Enthusiasmus zur Inanspruchnahme der neuen Freiheiten. Außerdem könnten sich die jüngsten staatlichen Interventionen im Aktienmarkt und die Aussetzung von Aktien vom Handel während einer Phase starker Marktverluste auf den Reformprozess und die Fortschritte auf dem Weg des RMB zum Status einer internationalen Reservewährung auswirken. Wir haben jedoch das Gefühl, dass China den politischen Willen für Wirtschaftsreformen hat, so dass diese Probleme nicht von Dauer sein dürften.
Der PBOC bietet für das verbleibende Jahr 2015 die Möglichkeit eines Schritts zur vollständigen „gesteuerten Wandelbarkeit“. Zudem sind die Öffnung eines Stock Connect Programms zwischen Hongkong und Chinas anderen wichtigen Börsen in Shenzhen und eine Erweiterung der Freiheiten beim Devisenhandel, die bereits in Shanghai eingeführt wurden, auf andere FTZ und schließlich das ganze Land zu erwarten. Wir denken weiterhin, die Einführung des geplanten China International Payment Systems (CIPS), das ein weltweites Clearinghaus für internationale RMB-Zahlungen schafft, wird die Nutzung der Währung deutlich erleichtern, wodurch sie sich anderen globalen Währungen weiter annähert. Einige Kontrollen, wie Überwachung von Geldwäsche und Finanzierung terroristischer Aktivitäten, Vermeidung einer exzessiven Verschuldung in Auslandswährungen und Währungsinkongruenzen, die Steuerung kurzfristiger spekulativer Flüsse und die Verbesserung der Zahlungsbilanzen sowie die Marktbeobachtung, werden weiterhin bestehen bleiben.
Der IWF wird sich wahrscheinlich aber bewusst sein, dass die Aussichten auf eine vollständige Mitgliedschaft im weltweiten Finanzsystem ein signifikanter Faktor für weitere Finanzreformprogramme in China sind. Er könnte sich daher zurückhalten, Gegnern der Veränderungen im Land Munition zu liefern. Dadurch würde ein Prozess, der sehr stark im Interesse westlicher Anleger und der Chinesen selber zu sein scheint, verkompliziert. Einen deutlichen Hinweis auf die Denkweise des IWF gab IWF-Direktorin Christine Lagarde im Rahmen eines Kommentars im März, die Aufnahme des RMB in die SDR sei eine Frage des „wann, nicht des ob“. Angesichts der jüngsten Marktentwicklungen könnte jedoch eine gewisse Vorsicht bestehen.
Internationale Unternehmen scheinen bezüglich der Internationalisierung des RMB „mit den Füßen abzustimmen“. Laut einer Umfrage der Economist Intelligence Unit für die internationale Anwaltskanzlei Allen & Overy erwarten etwa 50% der befragten leitenden Manager mindestens eine Verdopplung der Nutzung des RMB. 45% hatten die Währung bereits bei grenzüberschreitenden Transaktionen im letzten Jahr genutzt, während dieser Wert in den vorhergehenden zwölf Monaten bei gerade einmal 21% gelegen hatte. 49% der Befragten planten den RMB zur Finanzierung von Übernahmen zu nutzen. Weniger als 20% hatten die Währung für solche Zwecke für einen Zeitraum von länger als 12 Monaten genutzt.[1] Unserer Meinung nach könnten weitere Bestrebungen zur vollständigen Wandelbarkeit zu einer Beschleunigung des Prozesses führen.
Mit dem Start der Asian Infrastructure Bank, der New Development Bank und CIPS in Verbindung mit der Zulassung des RMB zu den SDRs des IWF, was der Währung den Weg zu einer der Hauptreservewährungen der Welt bereitet, könnten wir also gegen Ende des Jahres 2015 eine transformierte internationale Finanzlandschaft erleben. Gleichzeitig könnte der chinesische A-Aktienmarkt durchaus zu einer Komponente globaler Indizes werden, ein Schritt, der durch die jüngste Entscheidung MSCIs, chinesische Aktien bis mindestens 2016 nicht aufzunehmen, lediglich verzögert, aber nicht aufgehalten wurde. China würde somit stärker in das globale Finanzsystem eingebunden, als dies im Moment der Fall ist, und eine signifikantere Rolle spielen. Wir glauben, diese Entwicklungen und die Veränderungen, die sie ermöglicht haben, stellen eine große, langfristige Chance für internationale Anleger dar und werden den Status der Schwellenmarkt-Volkswirtschaften als Ganzes stark anheben.
Die jüngsten Maßnahmen der chinesischen Regierung zur Stützung des Marktes und zur Beeinflussung der Marktteilnehmer könnte die Fähigkeit des Markts, internationalen Respekt zu gewinnen, jedoch stark belasten. Wir denken, Indexanbieter werden aller Wahrscheinlichkeit nach äußerst vorsichtig sein, chinesischen A-Aktien eine hohe Gewichtung zuzuweisen. Wir dürfen für die nächste Zeit also nicht all zu viel erwarten. Langfristig betrachtet glauben wir aber, der chinesische Markt wird reifen und zu einer wichtigen Komponente globaler Portfolios werden.
[1] „Generation ¥, RMB The new global currency“, ein von Allen & Overy in Auftrag gegebener Report der Economist Intelligence Unit, 21. April 2015.
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