Investmentabenteuer in den Emerging Markets

Sind die Schwellenmärkte bald über den Berg?

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Für Schwellenländer-Investoren war dieses Jahr ohne Frage heikel, denn diese Märkte entwickelten sich allgemein schwächer als die Industrieländer. Aktuelle Daten bestätigen uns aber, dass sich der Trend zu Kapitalabflüssen umkehren könnte, da wieder mehr Anleger ihr Geld auf Schwellenmärkten investieren. Das macht uns Mut. Doch selbst wenn wieder Volatilität aufkommt, wie wir sie im Sommer erlebt haben, haben wir die Vermögensklasse noch längst nicht aufgegeben. Wir halten viele der Faktoren, die der jüngsten Marktvolatilität zugrunde liegen, für vorübergehend, noch verschärft durch die im Sommer wie üblich niedrigere Liquidität. Deshalb sehen wir Gründe für längerfristigen Optimismus.

Die Schwellenländer können nicht übergangen werden

Ungeachtet kurzfristiger Schwankungen der Anlegerstimmung: Einfach außer Acht lassen kann man die Schwellenländer unserer Ansicht nach keinesfalls. Sie stellen global nach Fläche, Bevölkerung, Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Aktienmarktkapitalisierung heute einen maßgeblichen Teil der Weltwirtschaft dar.

Es trifft zwar zu, dass das Wirtschaftswachstum in Schwellenländern in diesem Jahr allgemein niedriger ausgefallen ist als möglicherweise in der Vergangenheit, doch wir erkennen dort keine Systemrisiken. Manche Länder haben ihre Schwachstellen, doch im Großen und Ganzen ist die Vermögensklasse unseres Erachtens keineswegs dem Untergang geweiht. Die Devisenreserven und die Verschuldungsquoten wirken generell robust, und das BIP-Wachstum fällt insgesamt weiter kräftiger aus als in den Industrieländern. Pauschal gilt: Unseres Erachtens nach braut sich in den Schwellenländern keine Aktienkrise zusammen. Die meisten Anleger weltweit sind auf den Schwellenmärkten unterinvestiert. Für uns ist die Frage daher nicht, ob man dort investieren sollte, sondern, in welche Unternehmen aus welchen Märkten man investieren sollte. Wir sind überzeugt, dass die Schwellenländer auch weiterhin globale Wachstumstreiber bleiben.

Schwellenländer können nicht übergangen werden

Zwei Einflussfaktoren für Schwellenmärkte: die Fed und China

Unserer Auffassung nach haben in diesem Jahr zwei Hauptfaktoren zur Wertentwicklung der Schwellenländer beigetragen: die potenziell bevorstehende Verschärfung der Geldpolitik durch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und Sorgen um ein nachlassendes Wirtschaftswachstum in China. Unseres Erachtens haben die Märkte auf die möglicherweise anstehende Zinswende in den USA überreagiert. Interessanterweise haben mehrere Notenbanken aus Schwellenmärkten die Fed sogar aufgefordert, die Zinsen zu erhöhen, damit die Ungewissheit ein Ende hat.

Im Vorfeld geldpolitischer Straffungen der Fed konnten wir bei Schwellenmarktwährungen und -aktien schon in der Vergangenheit ähnliche starke Kreiselbewegungen des Marktes (normalerweise nach unten) beobachten. Während der tatsächlichen Umsetzung früherer Zinserhöhungszyklen in den USA konnten sich Aktien allerdings erholen. Das entspricht klar unserer Überzeugung, dass die Märkte vor einem solchen Ereignis tendenziell ein „Worst Case“-Szenario einpreisen. Mit Blick auf den MSCI Emerging Markets Index lag die durchschnittliche Wertentwicklung über ein Jahr nach einer Zinserhöhung durch die Fed bei 12,4%.[1] Wie Sie nachstehender Grafik entnehmen können, ist der Markt nach Eintritt in die letzten drei Straffungsphasen der Fed 1994, 1999 und 2004 nicht zusammengebrochen.

US-Zinswende und Schwellenmärkte nicht nur schlechte Nachrichten

Gleich mehrere aggressive Zinsschritte der Fed in Folge wären für uns ein Bärensignal für die Schwellenmärkte, doch das halten wir für unwahrscheinlich. Das Wachstum multinationaler US-Unternehmen (und damit der breiteren US-Wirtschaft) ist weitaus stärker von Schwellenländern (insbesondere in Asien) abhängig als in früheren Zinserhöhungszyklen. Daher besteht heute eine ausgeprägtere Rückkoppelung, sodass eine Wachstums- und Währungsschwäche in Schwellenländern viel größere direkte Auswirkungen auf das US-Wirtschaftswachstum und damit auf die Freiheit der Fed hat, die Zinsen heraufzusetzen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass andere Zentralbanken außerhalb der USA, unter anderem in Europa, Japan und China, über quantitative Lockerungen oder Zinssenkungen Liquidität zuführen.

Auch die Panik um die Auswirkungen der Wachstumsabschwächung in China halten wir für unbegründet. Obwohl die Aktienmarktvolatilität und der ineffektive Versuch der Regierung, zur Stützung der Kurse direkt im Markt zu intervenieren, im letzten Sommer die Schlagzeilen bestimmten, beurteilen wir die Regierungsmaßnahmen zur umfassenden Neuausrichtung der Wirtschaft weiter zuversichtlich. Meldungen über das Auf und Ab der Märkte in China geben zwar reißerische Schlagzeilen her, doch der Effekt der jüngsten Rückgänge der Indizes für Festlandaktien auf die breitere Wirtschaft sollte unseres Erachtens begrenzt ausfallen. Schließlich entfällt nur ein geringer Anteil am Vermögen chinesischer Haushalte auf Aktien (unseren Analysen zufolge keine 20%). Da die Haushalte nur sehr schwach in lokalen Aktien engagiert sind, dürfte unserer Ansicht nach selbst ein Börsen-Crash in China keinen durchschlagenden Vermögenseffekt zeigen.

Die Regierung geht außerdem systematisch auf die Strukturschwächen in der Wirtschaft ein – insbesondere was die Verschuldung betrifft – und hat die Übertragung notleidender Kredite der Banken auf Vermögensverwaltungen, höhere Rückstellungen für Problemkredite bei Banken und die Entwicklung von Märkten für Kommunalanleihen angeordnet. Obwohl das Gesamtverschuldungsniveau angesichts der Wirtschaftsentwicklung in China relativ hoch ist, verfügt das Land als Gegengewicht weiterhin über enormes Staatsvermögen, von Devisenreserven bis zu Unternehmen im Staatsbesitz. Fortgesetzte rasante Lohnsteigerungen und erhebliche Zuwächse bei den Stellen im Dienstleistungssektor (in aller Regel in der Privatwirtschaft) gleichen unserer Einschätzung nach auch die Abschwächung auf dem Häusermarkt und die rückläufige Beschäftigung im Produktionsgewerbe aus. Die größere Flexibilität des Renminbi stellt einen weiteren willkommenen Schritt hin zur Liberalisierung des Finanzmarktes dar.

Asiatische Volkswirtschaften sind offenbar insgesamt gut in Form

Nach vielen Maßstäben, von Leistungsbilanzdefiziten über Devisenreserven bis zum Verhältnis der Schulden in Lokalwährung zu US-Dollar-Verbindlichkeiten, sind viele asiatische Volkswirtschaften in unseren Augen heute robuster als früher.

Ein gutes Beispiel für die Entkopplung der Stimmung von den konjunkturellen Fundamentaldaten ist Indien. Dort ist die Währung gegenüber dem US-Dollar ca. 5% gefallen[2]. Das ist möglicherweise eine Parallele zu 2013, als die angekündigte Drosselung ihrer Geldpolitik durch die Fed Verluste und Volatilität auslöste. Aus makroökonomischer Perspektive ist Indien aber heute weitaus stärker. Die Handelsschulden Indiens sind mit 185 Mrd. US-Dollar[3] unseres Erachtens ausgesprochen verkraftbar, und in der Vergangenheit waren Refinanzierungen selbst während turbulenter Phasen kein großes Problem. Wichtiger ist: Seit Ende 2013 konnte das indische Leistungsbilanzdefizit von 88 Mrd. US-Dollar auf weniger als 20 Mrd. US-Dollar[4] reduziert werden. Die Devisenreserven decken heute die Importe von zehn Monaten, früher waren es sieben[5]. Und mit Narendra Modis Wahl zum Premierminister haben sich auch die Aussichten für ausländische Direktinvestitionen verbessert.

Wir sind der Ansicht, dass Südostasien insgesamt besonders gutes Wachstumspotenzial bietet, mit Ländern wie Myanmar, Laos, Kambodscha und Vietnam, die sich marktwirtschaftlich orientieren. Sie bieten erhebliche unausgelastete und unterbewertete Ressourcen – Rohstoffe ebenso wie Humankapital –, die von Unternehmern aus höher entwickelten Volkswirtschaften der Region zum beiderseitigen Vorteil eingesetzt werden können. Ein Boom war vor allem in Vietnam zu verzeichnen, mit einer BIP-Wachstumsprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 6,5% für das laufende Jahr.[6] Diese Zahl liegt über dem Gesamtwert der Schwellenländer. Auch von neueren Handelsabkommen sollte Vietnam profitieren. Dazu gehören eine Vereinbarung mit der EU sowie die Aufnahme in die geplante Transpazifische Partnerschaft, die Vietnams Exportmärkte weiter öffnen würde.

Selbst die reiferen Volkswirtschaften in der Region wie Indonesien, Thailand und Malaysia bieten unseres Erachtens noch erhebliches Wachstumspotenzial, bei günstigen demografischen Voraussetzungen, fortgesetzter Urbanisierung und Strukturreformen, die weiterhin kräftigen wirtschaftlichen Fortschritt in Aussicht stellen.

Kürzerfristig steht die Region natürlich vor Herausforderungen. Die indonesische Währung hat gegenüber dem US-Dollar 2015 bislang rund 9% eingebüßt[7], doch die gesamtwirtschaftliche Lage hat sich seit der asiatischen Finanzkrise von 1997 verbessert. Wir glauben, das Indonesien heute besser für eine Straffung der Geldpolitik in den USA gerüstet ist als früher. Ferner könnte eine jüngste Umbildung der Wirtschaftsmannschaft des Präsidenten jedoch für neuerlichen Fokus auf der Durchsetzung von Reformen für Wachstum und gegen Korruption sprechen. Verschiedene wichtige Projekte sind geplant oder wurden gestartet, darunter eine Trans-Sumatra-Mautstraße, Pläne zum Bau von über 20 Häfen und ein ehrgeiziges Investitionsprogramm für die Stromversorgung.

In Thailand leistete die unzulängliche Umsetzung der geplanten staatlichen Infrastrukturinvestitionen in den letzten Jahren einen wesentlichen Beitrag zum enttäuschenden Wirtschaftswachstum. 2014 sorgten politische Unruhen dafür, dass staatliche Mittel in hohem Umfang unausgezahlt blieben, und 2015 war es bislang ähnlich. Die Regierung hat einen Teil der verfügbaren Gelder zurückgehalten (wovon insbesondere das Infrastrukturbudget betroffen ist). Beobachter rechnen für 2016[8] mit anziehendem Wachstum, wenn der Staat kürzerfristige fiskalpolitische Anreize verstärkt (die in Form von Krediten und Infrastruktur insbesondere auf ländliche Bereiche ausgerichtet sind) und gleichzeitig größere längerfristige Infrastrukturprojekte anpackt, von U-Bahn-Linien in Bangkok bis zu Fernstraßen- und Schienenverbindungen. Insbesondere haben China und Japan beide Interesse an gemeinsamen Investitionen in eine Reihe von Projekten signalisiert, was zusätzliches Kapital hereinbringen würde. Insgesamt sollten diese Infrastrukturvorhaben alleine dem BIP-Wachstum in den nächsten vier Jahren Auftrieb geben. Außerdem gibt es weitreichende Pläne zur Förderung von Privatinvestitionen und ausländischen Direktinvestitionen, die in Thailand in Verbindung mit den unlängst anziehenden Exportdaten einen kräftigen Wachstumsimpuls auslösen könnten. Thailändische Banken sollten unseres Erachtens gut aufgestellt sein, um von diesen positiven gesamtwirtschaftlichen Trends potenziell zu profitieren.

Wertpotenzial in Schwellenländern

Als Schwellenländerinvestoren liegt unser Fokus primär mehr auf den zugrunde liegenden Geschäftsmodellen und Fundamentaldaten einzelner Unternehmen, in die wir investieren, als auf breiteren Makro-Einschätzungen. Wir versuchen vorsichtig, unser Engagement in Unternehmen auszubauen, die unserer Ansicht nach langfristig noch viel Luft nach oben haben, aber dessen ungeachtet und unseres Erachtens zu Unrecht abverkauft wurden. Mit Blick auf die Zukunft ist unbedingt zu beachten, dass Belastungsphasen der Finanzmärkte auf mittlere Sicht das größte Aufwärtspotenzial bergen können. Aktuell wirken die Schwellenmärkte gegenüber den Industrieländern nach Kurs-Gewinn- und Kurs-Buchwert-Verhältnis unterbewertet. Verstärkte Marktvolatilität kann nervös machen, doch unser Anlageverfahren blickt über den kurzfristigen Horizont hinaus und ist darauf ausgerichtet, gut geführte Wachstumsspitzenreiter zu attraktiven Bewertungen im ganzen Schwellenländeruniversum aufzuspüren und ins Portfolio aufzunehmen. Manchen Schwellenmärkten weht eindeutig der Wind ins Gesicht, doch unserer Überzeugung nach bieten sich stets Chancen für den nächsten Marktumschwung.

Bewertungen Schwellenländer Industrieländer

 

 

 

 

 

 

 

 


[1] Quellen: FactSet, MSCI. Nähere Angaben zu Datenanbietern auf www.franklintempletondatasources.com. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist keine Garantie für die Zukunft. Indizes werden nicht gemanagt. Es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren.

[2] Quelle: Bloomberg, Stand: 9. November 2015.

[3]  Quelle: CLSA Research, August 2015.

[4] Quelle: Reserve Bank of India, Stand: Juni 2015.

[5] Ebenda.

[6] Quelle: IWF World Economic Outlook Database, Oktober 2015. Es gibt keine Garantie dafür, dass sich eine Schätzung oder Prognose bewahrheitet.

[7] Quelle: Bloomberg, Stand: 9. November 2015.

[8] Der IWF prognostiziert Thailand für 2015 und 2016 ein BIP-Wachstum von 2,5% bzw. 3,2%. Quelle: IWF World Economic Outlook Database, Oktober 2015. Es gibt keine Garantie dafür, dass sich eine Schätzung oder Prognose bewahrheitet.

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