Einige Länder lockern allmählich die verhängten Corona-Maßnahmen. Ist es nun sinnvoll, wieder in Risikoanlagen in Schwellenländern zu investieren? Nicholas Hardingham von Franklin Templeton Fixed Income betrachtet das Umfeld für Schwellenländeranleihen im Kontext des Coronavirus.
Wir erleben derzeit sicherlich beispiellose Zeiten, und alle Anlagen, einschließlich der Schwellenländeranleihen, verzeichneten im ersten Quartal des Jahres einen Anstieg der Volatilität. Die Meidung von Risiken begann, als die Probleme am Ölmarkt sichtbar wurden, einschließlich des Bruchs der „OPEC+“[1]-Vereinbarung zur Förderkürzung, und sich COVID-19 in China ausbreitete und in der Folge die Nachfrage nach fast allen Rohstoffen sank.
Als sich COVID-19 allmählich auch außerhalb Asiens ausbreitete, begannen viele Anleger, alle als riskant geltenden Vermögenswerte, einschließlich von Schwellenländeranleihen, zu verkaufen. Auch wenn sich die Wirtschaft in den Schwellenländern in den vergangenen Jahrzehnten tiefgreifend gewandelt hat, sind nach wie vor viele der großen Kapitalnehmer für die Preise von Rohstoffen und insbesondere von Öl anfällig.
Die behördlichen Maßnahmen verringerten die Wirtschaftsaktivität u. a. im Tourismus und im Handel, die für viele Schwellenländer lebenswichtig sind, spürbar. Die Länder wurden gewissermaßen ins Koma versetzt, um das Schlimmste in dieser globalen Pandemie zu verhindern.
Im April beschleunigte sich der Rückgang der Ölpreise, und in einem Terminkontrakt waren sie sogar negativ. Dies ist ein beispielloser Vorgang. Der Markt fand sich in einer Situation wieder, in der die Lagerung von Öl tatsächlich teurer war als der Wert des Produkts selbst. Dies stellte die Händler vor ein sehr spezifisches, technisches Problem.
Auch wenn das Coronavirus die Ölnachfrage deutlich gedrückt hat, bleibt der längerfristige Ausblick dennoch ermutigend. In den Schwellenländern befindet sich ein Teil der Ölproduktion in der Hand von Regierungen, die kurzfristige Löcher mit Nachtragshaushalten stopfen können. Daher dürften diese Produzenten nicht nur von niedrigen Förderkosten profitieren, sondern auch ausreichend Flexibilität besitzen.
Im Hinblick auf die Wertentwicklung von Schwellenländeranleihen sind Hartwährungsstaatsanleihen am schlimmsten betroffen, gefolgt von Lokalwährungsstaatsanleihen, die nur geringfügig besser abschneiden, auch wenn das Bild hier gemischt ist. Während einige lokale Anlagen recht gut abschnitten, wurden die lokalen Währungen gegenüber dem US-Dollar negativ getroffen.
Unternehmensanleihen der Schwellenländer behaupten sich in dieser Krisenzeit relativ gut. Denn sie bieten mit Asien ein breites Engagement in Regionen der Welt, die bessere Ergebnisse erzielen. Dies mag angesichts der wirtschaftlichen Folgen, die wir derzeit infolge des Virus-Ausbruchs in China verkraften müssen, wenig einleuchtend erscheinen, doch China hat ein robustes Risikoprofil und gute Kreditratings.
Die Anleger halten nach wie vor an der irrigen Meinung fest, dass Unternehmensanleihen der Schwellenländer riskanter sind als Staatsanleihen. Doch dies ist nicht immer zutreffend.
Bei den einzelnen Anleihensegmenten verzeichnen Anleihen höherer Qualität einstellige Verluste, während die Einbußen in den stärker notleidenden Bereichen mit nahezu 40 % wesentlich höher sind. Es gibt also eine enorme Verteilung der Renditen über die Ratingkategorien hinweg. Diese Unterschiede bei der Wertentwicklung hängen nicht alle mit dem Virus zusammen, doch es hat die Probleme verstärkt.
Ein Land mit A-Rating wird wahrscheinlich angemessene Gesundheitsvorkehrungen treffen und kann mit fiskalischen Mitteln besser auf die Krise reagieren als ein Land mit einem Rating im B-Bereich, dem es an Infrastruktur und fiskalischen Reserven mangeln dürfte, um die Lage auch bei geringen Infektionszahlen richtig in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus sind viele Schwellenländer von der Tourismusbranche abhängig, und der aktuelle Lockdown wirkt sich deutlich auf die stärker tourismusorientierten Volkswirtschaften aus.
Reaktion der Zentralbanken
Die geldpolitische Reaktion der Zentralbanken war weltweit umfangreich und sollte ihre jeweiligen Volkswirtschaften in den vergangenen Monaten stützen. In den Industrieländern ging die US-Notenbank (Fed) mit einer Reihe starker geldpolitischer Maßnahmen voran, die sogar den Ankauf von Wertpapieren, einschließlich börsengehandelter Fonds und Hochzinstiteln, vorsehen.
Die Fed hat geliefert, und dies nicht nur für die US-Märkte. Es kam zu einem Durchsicker-Effekt auf Schuldtitel der Schwellenländer, der zudem das Finanzsystem in Gang hielt. Doch das Kaufprogramm für Investment-Grade-Unternehmensanleihen hilft den Schwellenländern eigentlich nicht in hohem Maße, da die Schuldtitel dieser Länder nicht auf der Einkaufsliste der Fed stehen.
Aus unserer Sicht ist deutlich zu erkennen, dass es seitens der Fed und der Europäischen Zentralbank eine Bereitschaft gibt, mehr zu tun. Dies wird von den Finanzmärkten generell begrüßt.
Schwellenländer ohne diesen Anleihenkäufer der letzten Instanz in Form der Zentralbank müssten sich an Stellen oder Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds wenden, die über Finanzmittel eigens für Notfallmaßnahmen verfügen, mit denen das Vorgehen in den Ländern abgefedert werden kann.
Auch wenn die Zentralbanken für die dringend benötigte Entlastung sorgen, gibt es Fragen zu den längerfristigen Folgen der ungewöhnlichen und unkonventionellen geldpolitischen Schritte. Es könnte ziemlich schwierig, wenn nicht unmöglich sein, das Rad wieder zurückzudrehen. Daher besteht die Gefahr, dass wir in einigen der stärkeren Schwellenländer in eine neue Welt der quantitativen Lockerung eintreten. Wir werden dies künftig auf jeden Fall im Auge behalten, wenn die Wirtschaftsaktivität in einen normaleren Zustand zurückkehrt. Schwellenländeranleger kennen im Hinblick auf die Inflation die Gefahren einer Monetisierung des Haushaltsdefizits. Auch wenn dies vorerst keinerlei Problem darstellt, könnte es in der Zukunft zum Problem werden.
Niedrige Zinssätze machen Anleger hungrig auf Rendite
Die Wirtschaft der Schwellenländer befand sich zu Beginn der aktuellen Gesundheitskrise generell in guter Verfassung, und nach unserer Ansicht sind die fiskalischen und geldpolitischen Reaktionen einiger führender Schwellenländer ein Zeichen des Fortschritts.
Weltweit kappten die Zentralbanken ihre Zinssätze als Notfallmaßnahme fast auf null und machten manche Anleihenanleger damit hungrig auf Rendite.
Auch wenn im aktuellen Umfeld viel Unsicherheit herrscht und die Risikoaversion noch länger anhalten dürfte, wird die Anlegerbasis für Schwellenländeranleihen und andere Risikoanlagen nach unserer Auffassung nicht verschwinden. In diesem Niedrigzinsumfeld können die Renditen von Schwellenländeranleihen und anderen Klassen von Risikoanlagen attraktiv erscheinen. Daher erwarten wir auf mittlere Sicht gute Chancen in dieser Anlageklasse.
Die Bonität von Schwellenländeranleihen hat sich im Laufe der Jahre verbessert. Eine jahrzehntelange Abfolge von Krisen hat bessere Governance, Bonität und Liquidität in den Schwellenländern begünstigt und Resilienz gegenüber weiteren Schocks aufgebaut.
Sicherlich sind die Belastungen durch das aktuelle Umfeld in den Ländern mit den schwächsten Kreditratings am akutesten zu spüren, und wir gehen davon aus, dass dort, wo die politischen Reaktionen nur unzureichend sind, eine anhaltende Verschlechterung zu beobachten sein wird. Einige Staatsanleihen notieren auf Niveaus, die aus unserer Sicht überverkauft sind, doch wir sehen potenzielle Chancen, da Unsicherheit und Volatilität allmählich nachlassen.
Wir werden verfolgen, wie sich die aktuelle Krise auf die Bonitätskennzahlen auswirkt und wie die Konjunkturpakete finanziert werden. Wir werden die Maßnahmen der Politik genau beobachten, denn die Staaten setzen ihren Kampf gegen das Virus fort.
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[1] OPEC+ ist ein Bündnis von Ölproduzenten, das sowohl Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder umfasst.