Investmentabenteuer in den Emerging Markets

Asien

Ausblick für China 2021: Pandemie befeuert Entglobalisierung – was kommt als Nächstes?

Nach der Einschätzung von Chetan Sehgal und Michael Lai von Franklin Templeton Emerging Markets Equity hat das Coronavirus die Kluft zwischen China und dem Rest der Welt vertieft und den bereits bestehenden Trend zur Ent-Globalisierung beschleunigt. Die beiden Experten erläutern ihren Ausblick für China, die mögliche Entwicklung des chinesischen Gesundheitssektors und potenzielle Chancen, die sich im nächsten Jahr für Anleger ergeben könnten.

Chinas Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus vertiefen die globale Kluft

Michael Lai: Wie wir alle wissen, haben sich die Spielregeln durch die weltweite Gesundheitskrise 2020 grundlegend geändert. Da China frühzeitig durch Kontaktverfolgung und allgemeine Anpassungen des gesellschaftlichen Lebens auf den Coronavirus-Ausbruch reagiert hat, kommt das Land besser durch die Pandemie als der Rest der Welt.

Bei der Bekämpfung von COVID-19 mangelte es an globaler Führung, während China in Sachen Viruseindämmung voranmarschierte.  Dank seiner frühzeitigen Reaktion schließt das Land nun wirtschaftlich zu seinen Wettbewerbern auf – auch zu den USA.

Chetan Sehgal: Meiner Meinung nach hat China gut auf die Pandemie reagiert, besonders wenn man die Größe des Landes und seine Bevölkerungsstärke bedenkt. Die chinesischen Behörden wurden schnell aktiv und ergriffen zur Eindämmung des Virus noch nie dagewesene Maßnahmen in Form von Quarantäneauflagen und Städte-Lockdowns. In anderen Ländern scheinen die von China vorgelegten Pandemiemaßnahmen aufgrund von gesellschaftlichen Normen und kulturellen Unterschieden nicht im gleichen Maße umgesetzt worden zu sein: Gegen das Tragen von Masken und die von den Regierungen vorgegebenen Regeln gibt es in tendenziell demokratischeren Gesellschaften einigen Widerstand. Wir erleben also, wie die Pandemie die Kluft zwischen China und dem Rest der Welt in vielerlei Hinsicht vertieft. Langfristig gesehen dürfte das Coronavirus nur ein vorübergehender Dämpfer für das Wachstum Chinas sein, dessen Wirtschaft sich schnell erholt.

Michael Lai: Das Misstrauen zwischen China und dem Westen wächst schon seit einiger Zeit, nicht erst seit dem Coronavirus. Ich denke, in den letzten vier Jahren ist in einigen westlichen Ländern endlich der Groschen gefallen, dass China eine Gefahr für ihre politische Vorherrschaft darstellen könnte, nicht nur in Asien, sondern in der ganzen Welt.

Ist die Globalisierung am Ende?

Michael Lai: Dass China nicht als Modell für eine liberale Demokratie taugt, dürfte klar sein. Doch das chinesische Regime, das sich in den letzten drei Jahrzehnten darauf konzentriert hat, den Lebensstandard der Menschen zu heben, kann eine beeindruckende Erfolgsbilanz vorweisen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ist von 317 US-Dollar im Jahr 1990 auf gut 10.000 US-Dollar im Jahr 2019 gestiegen.1

Nun ist die Frage, ob China es schafft, nicht in die Falle des mittleren Einkommens zu tappen, die darin besteht, dass die Wirtschaft auf einem mittleren Einkommensniveau stagniert. Diese Falle ist – mit Ausnahme von Singapur, Taiwan und Südkorea – zum Fluch der Schwellenländer geworden.

Für Anleger, die die Unterschiede zwischen China und dem Westen miteinander abstimmen können, gibt es aus der Bottom-up-Perspektive immer noch viele interessante Anlagechancen. China hat letztlich eine am Binnenkonsum orientierte Wirtschaft. Das Land ist nicht länger die „Fabrik der Welt“, sondern produziert hochwertige Technologiegüter wie Computerchips, und Investitionen in das Anlagevermögen sowie Exporte sind in den letzten Jahren zu wichtigen Wirtschaftsmotoren geworden.

Chetan Sehgal: Durch das Coronavirus ist deutlich geworden, wie störanfällig die globalen Lieferketten sind. Nun stehen sie unter einem zunehmenden Diversifizierungsdruck – die Abhängigkeit von China wird als zu groß wahrgenommen. Trotzdem ist es um die chinesischen Exporte überraschend gut bestellt, denn die Lieferketten in China sind intakt und der Rest der Welt hat keine andere Wahl, als auf diese Exporte zurückzugreifen. Die meisten Länder handeln also weiterhin mit China. Lieferketten lassen sich nicht über Nacht ändern, auch wenn wegen COVID-19 oder aus anderen Gründen ein Wandel angestrebt wird.

Angesichts der auseinanderlaufenden Interessen glaube ich, dass das Coronavirus den Aufbau getrennter Lieferketten für die beiden Märkte beschleunigen wird. Die Ungewissheit der Zukunft lässt Unternehmensmerkmale wie geistiges Eigentum, Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit im Wert steigen. Meiner Einschätzung nach werden führende Technologieunternehmen, die diese Merkmale aufweisen, weiterhin florieren.

Michael Lai: Es sieht in der Tat danach aus, dass die Globalisierung der letzten 25 Jahre am Ende ist. Die Produktion wird wahrscheinlich getrennt, auf der einen Seite China, auf der anderen der Rest der Welt. Ein Halbleiterwerk im Wert von 10 Milliarden US-Dollar lässt sich jedoch nicht über Nacht verlegen, daher wird es dauern, bis der Wandel vollzogen ist. Und ich befürchte leider, dass vor allem die Verbraucher den Preis für diese geopolitisch bedingte Doppelung der Lieferketten zahlen müssen.

Wie geht es im chinesischen Gesundheitssektor weiter?

Chetan Sehgal: Der Gesundheitssektor ist ein Bereich, den wir momentan genau beobachten. Die chinesische Regierung hat ein Umfeld geschaffen, in dem sich Innovationen lohnen, daher gab es im letzten Jahr viele Produktzulassungen. Die chinesische Food and Drug Administration (FDA) hat dafür gesorgt, dass innovative Forschungsergebnisse aus China künftig in globale Arzneimittelstudien einfließen können. Darüber hinaus wurden die Zulassungsstandards verbessert.

Die Folge ist mehr Wettbewerb auf dem Markt und ein Preisrückgang vieler Generika. Damit verbessern sich wahrscheinlich die Aussichten für eine bezahlbare Gesundheitsversorgung in China. Andererseits könnte dies auch das Gewinnpotenzial der Unternehmen im Gesundheitssektor beschränken.

Michael Lai: Ich war überrascht, wie schnell dieses Jahr innovative Verfahren und Produkte zugelassen wurden, sowohl von der chinesischen als auch von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde. Als Anleger sind wir besonders an chinesischen Unternehmen interessiert, die die Zulassung der US-amerikanischen FDA haben, denn dies deutet darauf hin, dass das Produkt auf dem richtigen Weg ist und in der nächsten Zeit auch die Zulassung der chinesischen FDA erhalten wird.

Dass die Preise von Generika bereits unter Druck geraten, ist logisch. Die kostengünstige Produktion hilft, ein innovationsfreundliches Umfeld aufrechtzuerhalten, während die globalen Gesundheitskosten steigen. Abgesehen von COVID-19 gibt es bei der Vermarktung von Produktinnovationen viel Zusammenarbeit zwischen dem Westen und China, unabhängig vom Zielmarkt. Und meiner Einschätzung nach dürfte die Vermarktung künftig noch wichtiger werden.

Übersehene Chancen

Michael Lai: Die Handlungsmöglichkeiten, die China im anhaltenden Handelskonflikt mit den USA hat, sind momentan begrenzt. Der kürzliche Wahlsieg von Joe Biden könnte jedoch für etwas Entspannung sorgen und die aufgeheizte Stimmung um einige Grad abkühlen. Der Großteil des geistigen Eigentums befindet sich in den USA oder in anderen westlichen Ländern, daher ist Regionalisierung das Gebot der Stunde. China hat jedoch schon immer eine langfristige Strategie verfolgt. Nach dem globalen „Made in China 2025“-Plan für das verarbeitende Gewerbe wird die Regierung außerdem einen ehrgeizigen 15-Jahres-Plans mit dem Titel „China Standards 2035“ umsetzen, mit dem globale Standards für die nächste Technologiegeneration festgelegt werden sollen. Der Plan umfasst einen Vorstoß zur Anhebung der inländischen Standards in der Informations- und Biotechnologie wie auch Verbesserungen bei der Verfügbarkeit von Mobilfunktechnologie der fünften Generation (5G), bei künstlicher Intelligenz und Big Data, die als wichtige Mittel der künftigen Technologieinfrastruktur gelten.

Chetan Sehgal: Wichtig zu erwähnen ist außerdem, dass Anlegern neben dem Kauf börsennotierter Werte aus China weitere Wege zu einem Engagement in der chinesischen Wirtschaft und im chinesischen Markt offenstehen. Sie könnten zum Beispiel Aktien eines brasilianischen Unternehmens kaufen, dessen Umsätze überwiegend von einer starken chinesischen Wirtschaft abhängen. In jedem Fall sehe ich für China weiterhin enorme Chancen. Das Coronavirus hat zu einem breiteren Einsatz von Technologie geführt, die Innovationstätigkeit verstärkt und die Konsolidierung der Industrie beschleunigt. Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Sektoren haben sich an die Trends angepasst, die durch die Pandemie ausgelöst wurden.

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1 Quelle: Weltbank.

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