Investmentabenteuer in den Emerging Markets

Asien

Die Schwellenländer schwächeln, sind aber noch nicht am Ende

Die globalen Märkte sind dieses Jahr mit zahlreichen Widrigkeiten konfrontiert, aber laut Manraj Sekhon, CIO von Franklin Templeton Emerging Markets Equity, gibt es auch Gründe für Optimismus. Zur Jahresmitte präsentiert er seinen Ausblick für die Schwellenländer.

„Die Märkte haben die neue Realität erkannt. Dies zeigt sich an der ungewöhnlich geringen Volatilität der Schwellenländerwährungen gegenüber Industrieländerwährungen und an der Outperformance der Aktienmärkte der Schwellenländer gegenüber denen der Industrieländer im Jahr 2022.“

 

Der Geist der Inflation ist aus der Flasche entwichen und stellt für die politischen Entscheidungsträger nun in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung dar. Die Kombination aus steigenden Energie-, Lebensmittel- und Lohnkosten facht die Inflationserwartungen an. Wird nichts dagegen unternommen, könnte dies die Weltwirtschaft destabilisieren.

Unser Basisszenario für die Schwellenländer (EM) basiert auf der Tatsache, dass sie zu Beginn dieses aktuellen Abschwungs besser aufgestellt waren als in früheren Zyklen. Die Unternehmen sind nicht so stark verschuldet, in den Finanzsektoren und in anderen Bereichen wurden Reformen auf den Weg gebracht und die meisten politischen Entscheidungsträger verfolgen eine orthodoxe Geld- und Fiskalpolitik, um die Herausforderungen zu meistern. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass die Bandbreite und die Wahrscheinlichkeit alternativer Szenarien zugenommen haben.

Ertragslage

Anders als einige andere Marktbeobachter, die für 2023 einen Rückgang der Gewinne in den Schwellenländern prognostizieren, betonten wir zu Jahresbeginn die Wahrscheinlichkeit einer Erholung, angetrieben durch Indien und China. Angesichts der flexiblen geldpolitischen Reaktion Chinas und der robusten Aussichten für das indische Bruttoinlandsprodukt ist eine Erholung nach wie vor unser Basisszenario.

Chinas ist inzwischen auf eine dynamische Null-COVID-Politik umgestiegen. Man kann daher davon ausgehen, dass einige – wenn auch nicht alle – Risiken im Zusammenhang mit der Vorgehensweise des Landes zur Bekämpfung des Virus allmählich geringer werden. Fabriken öffnen wieder, die Engpässe in den Häfen nehmen ein Ende und es gibt Anzeichen dafür, dass die Störungen in den Lieferketten abnehmen. Wir gehen davon aus, dass China bis zum 20. Parteitag im Herbst, bei dem Chinas Präsident Xi Jinping aller Voraussicht nach für eine dritte Amtszeit bestätigt werden dürfte, an seiner Strategie im Umgang mit dem Virus festhalten wird.

Herausforderung Inflation

Die durch steigende Energie-, Lebensmittel- und Lohnkosten verursachte Inflation in den Schwellenländern stellt die politischen Entscheidungsträger vor Herausforderungen. In der Vergangenheit wurden Subventionen eingesetzt, wenn die Einkommen der Menschen durch steigende Preise für Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs zu stark belastet wurden. Im aktuellen Zyklus sind direkte Transferleistungen das bevorzugte politische Instrument. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich die Auswirkungen der höheren Inflation in vollem Umfang in den Schwellenländern bemerkbar machen. Wird nichts dagegen unternommen, werden die Folgen für einkommensschwächere Haushalte erheblich sein.

Es lassen sich Parallelen zwischen dem Inflationsanstieg von 2008 und der heutigen Entwicklung erkennen. Im Juli 2008 erreichten die Ölpreise mit 145 USD ihren Höchststand und trieben die Preise für Transport und Düngemittel nach oben. Zusammen mit Lieferschwierigkeiten führte dies zu einem weltweiten Anstieg der Lebensmittelpreise. Dies ließ die Inflation in den Schwellenländern stärker steigen als in den Industrieländern, denn Lebensmittel machen im Warenkorb der Schwellenländer einen größeren Anteil aus.

Auch heute sorgen die steigenden Ölpreise für ein Anziehen der Transport- und Düngerpreise, gleichzeitig sind die Ausfuhren von Getreide und Ölsaaten aus der Ukraine durch den Krieg fast zum Erliegen gekommen. Die politischen Entscheidungsträger in Asien reagieren mit Exportverboten (in Malaysia, Indonesien und Indien), außerdem führen Thailand und Vietnam Gespräche über die Gründung eines De-facto-Exportkartells für Reis.

Ähnliche Maßnahmen erwiesen sich 2008 als wirkungslos und dürften auch 2022 kaum von Erfolg gekrönt sein (Indonesien hat das Exportverbot für Palmöl bereits wieder aufgehoben). Die Lagerbestände an Getreide sind hoch, das Problem ist allerdings, dass sich diese Bestände zum großen Teil in der Ukraine befinden. Die politischen Entscheidungsträger suchen daher aktuell nach einer Lösung, die verhindern könnte, dass auf den Energiepreisschock nun ein weltweiter Lebensmittelpreisschock folgt.

Neue Realitäten

Die Zentralbanken in den Schwellenländern haben früher als ihre Pendants in den Industrieländern die Leitzinsen erhöht, um den Preisdruck, der durch den Nachfrageüberschuss ausgelöst wurde, in den Griff zu bekommen. Als Erste hob die brasilianische Zentralbank im März 2021 den Leitzins Selic an. Indien, Polen und andere Schwellenländer folgten diesem Beispiel und setzten ihre Leitzinsen ebenfalls herauf. Auch in China haben die geldpolitischen Verantwortlichen die überschüssige Nachfrage umsichtig gedämpft und dabei Spielraum für geldpolitische Lockerungen geschaffen, sodass sie jetzt das Wachstum wieder ankurbeln können.

Die Bewertungen an den Aktienmärkten der Schwellenländer sind parallel zu einer Korrektur der globalen Märkte gesunken. Sektoren der New Economy, darunter Technologie und Kommunikationsdienste, verzeichnen die stärksten Kursverluste. Dagegen zeigen traditionelle Sektoren wie Finanzen und Industrie eine relative Outperformance.1

Die Anleger flüchten aus den Schwellenländern in die relative Sicherheit von Anlagen, die auf US-Dollar lauten – dieses Phänomen war bereits in früheren Zyklen zu beobachten. Trotzdem haben die Märkte die neue Realität erkannt. Dies zeigt sich an der ungewöhnlich geringen Volatilität der Schwellenländerwährungen gegenüber Industrieländerwährungen und an der Outperformance der Aktienmärkte der Schwellenländer gegenüber denen der Industrieländer im Jahr 2022.2

Portfolio-Maßnahmen

Wir haben unsere Portfolios neu gewichtet, um sie auf Unternehmen auszurichten, die unseres Erachtens von der steigenden Inflation und den höheren Zinsen profitieren werden. Dabei konzentrieren wir uns besonders auf die Märkte, die aufgrund ihres geldpolitischen Spielraums besser vorbereitet sind, sowie auf diejenigen, in denen kein Arbeitskräftemangel herrscht. Sie werden aus unserer Sicht besser in der Lage sein, einen weiteren Inflationsschock zu bewältigen. Die tragenden Säulen unserer Portfolios sind nach wie vor langfristige Themen der New Economy wie die demografische Entwicklung, die Digitalisierung und die Premiumisierung.

Den Schwellenländern steht eine schwierige Phase bevor, doch wir sind weiterhin von ihrem langfristigen Wachstumspotenzial überzeugt. Effektivere geld- und fiskalpolitische Maßnahmen sowie eine Verbesserung der Governance führen zu positiveren Aussichten für Anleger. Unseres Erachtens werden diese neuen Realitäten dafür sorgen, dass die Schwellenländer am Ende des aktuellen Abschwungs besser aufgestellt sind, um die sich bietenden Wachstumschancen wahrzunehmen.

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  1. Quellen: MSCI, Bloomberg. Wertentwicklungszeitraum: 17. Februar 2021 – 14. Juni 2022. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.
  2. Quellen: MSCI, Bloomberg, Daten per 17. Juni 2022. Schwellenländer repräsentiert durch den MSCI Emerging Markets Index, der Unternehmen mit hoher und mittlerer Marktkapitalisierung aus 24 Schwellenländern umfasst. Industrieländer repräsentiert durch den MSCI World Index, der Unternehmen mit hoher und mittlerer Marktkapitalisierung aus 23 Industrieländern umfasst. Indizes werden nicht gemanagt und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in Indizes nicht berücksichtigt. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung. MSCI gibt keine Gewährleistung und übernimmt keinerlei Haftung für die vorliegend wiedergegebenen MSCI-Daten. Eine Weiterverbreitung oder weitere Nutzung ist nicht zulässig. Dieser Bericht wurde von MSCI weder erstellt noch bestätigt. Wichtige Mitteilungen und Nutzungsbedingungen der Datenanbieter sind verfügbar unter www.franklintempletondatasources.com.

 

WO LIEGEN DIE RISIKEN?

Alle Anlagen beinhalten Risiken, auch den möglichen Verlust der Kapitalsumme. Der Wert von Anlagen kann fallen oder steigen, und Anleger erhalten möglicherweise nicht den vollen Anlagebetrag zurück. Anlagen in ausländischen Wertpapieren sind mit besonderen Risiken verbunden, darunter Währungsschwankungen, wirtschaftliche Instabilität und politische Entwicklungen. Anlagen in Schwellenländern, zu denen als Untergruppe die Grenzmärkte gehören, sind aufgrund derselben Faktoren mit erhöhten Risiken verbunden. Hinzu kommen Gefahren, die durch die geringere Marktgröße, die niedrigere Liquidität und das Fehlen von gefestigten rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zur Stützung der Wertpapiermärkte dieser Länder entstehen. Da diese Rahmenbedingungen in Grenzmärkten in der Regel noch geringer ausgeprägt sind und diverse Faktoren vorliegen, wie gesteigertes Potenzial für extreme Preisschwankungen, Illiquidität und Handelsbarrieren und Wechselkurskontrollen, werden die mit Schwellenländern verbundenen Risiken in Grenzmärkten verstärkt. Sofern eine Strategie sich auf bestimmte Länder, Regionen, Branchen, Sektoren oder Arten von Anlagen konzentriert, kann sie anfälliger für ungünstige Entwicklungen in solchen Schwerpunktbereichen sein als eine Strategie, die in ein breiteres Spektrum von Ländern, Regionen, Branchen, Sektoren oder Anlageformen investiert. China kann einer erheblichen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Instabilität unterliegen. Anlagen in Wertpapieren chinesischer Emittenten sind mit landesspezifischen Risiken verbunden, darunter bestimmte rechtliche, regulatorische, politische und wirtschaftliche Risiken.

 

 

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