Es wäre fahrlässig, den gesamten afrikanischen Kontinent in eine Schublade zu stecken, da sich viele Länder in unterschiedlichen Phasen ihres makroökonomischen und politischen Zyklus befinden, meint Danesh Ranchhod von Franklin Templeton Emerging Markets Equity. Er hebt einige Entwicklungen hervor, die im Kern dieser Volkswirtschaften stattfinden, und erklärt, warum Anleger Chancen in dieser Region fallweise betrachten sollten.
Für Schwellenländeranleger bietet ein Verständnis der Zyklen und Entwicklungen in der Region Afrika im Verhältnis zu anderen Grenz- und Schwellenländern, die sich noch in einer frühen Entwicklungsphase befinden, einen Kontext für die Anlagechancen, die sich dort ergeben.
Wir sind uns sehr wohl der Tatsache bewusst, dass eine Kombination aus dem Tempo öffentlicher Reformen, dem Regulierungsrahmen und der politischen Landschaft Länder wie Nigeria, Kenia und Südafrika auf sehr unterschiedliche Weise beeinflusst, da sie sich in unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befinden.
Unzulänglich erschlossene Industriezweige in Nigeria könnten trotz gedämpfter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen glänzen
Nigeria ist auf Basis des nominellen Bruttoinlandsprodukts (BIP) die größte Volkswirtschaft Afrikas und weist zudem mit 206 Millionen Einwohnern auch die größte Bevölkerung des Kontinents auf.[1] Eine große und junge Bevölkerungsgruppe mit wachsenden Einkommen belebt in der Regel den Binnenkonsum und bietet erheblichen Spielraum für ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstumspotenzial.
Aus Anlegersicht sehen wir in Nigeria zahlreiche Wirtschaftszweige, die unzulänglich erschlossen sind, allen voran das Bankwesen sowie die Bereiche Verbrauchsgüter, Lebensmittel und Telekommunikation. Unserer Einschätzung nach dürften Unternehmen, die in diesen Branchen tätig sind, über mehrere Jahrzehnte hinweg Wachstum verzeichnen.
Der Entwicklungspfad Nigerias war bislang jedoch alles andere als reibungslos, so dass wir uns der Tatsache bewusst sind, dass es durchaus potenzielle Hindernisse für diesen wirtschaftlichen Kurs geben könnte. Die Abhängigkeit Nigerias von Öl ist ein zweischneidiges Schwert, da ein Großteil seiner Steuereinnahmen hierauf entfallen. Frühere Einbrüche der Ölpreise hatten gravierende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Währung Nigerias.
Einige wichtige politische Reformen in dem westafrikanischen Land sind ebenfalls ins Stocken geraten. Die derzeitige Regierung befindet sich bereits in ihrer zweiten Amtszeit, hat sich jedoch nicht wirklich auf Infrastrukturinvestitionen, Subventionsabbau und Wachstumsinitiativen verpflichtet. Infolgedessen war das Wachstumsumfeld in den letzten drei Jahren eher gedämpft. 2016 entwickelte sich das BIP mit -1,6 % rückläufig, 2017 und 2018 waren jedoch mit einem Plus von jeweils 0,8 % bzw. 1,9 % Anzeichen auf eine leichte Belebung des BIP-Wachstums auszumachen. [2]
Vor dem Hintergrund einer langsamen Umsetzung bestimmter politischer Maßnahmen der Regierung gelang eine Stabilisierung der Wirtschaft und der Währung, während beim schwachen Wirtschaftswachstum allmählich eine leichte Verbesserung zu beobachten ist. Insbesondere Initiativen wie etwa von der nigerianischen Zentralbank unterstützte Kredite für landwirtschaftliche Betriebe und kleine Unternehmen, die die Abhängigkeit Nigerias vom Öl verringern sollen, haben sich bemerkbar gemacht – im landwirtschaftlichen Sektor Nigerias sind zwei Drittel der gesamten Erwerbsbevölkerung beschäftigt. Zudem ließen sich zuletzt Anzeichen auf eine Belebung der Wirtschaftstätigkeit ausmachen, wobei einige Sektoren weiterhin äußerst rentabel sind und Wachstum erzielen. Ein gerade erst im Januar vom nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari unterzeichnetes Finanzierungsgesetz befreit Kleinunternehmen mit einem Umsatz von weniger als 25 Millionen N von der Steuer und senkt gleichzeitig den Steuersatz für Unternehmen, die weniger als 100 Millionen N umsetzen. Wir gehen davon aus, dass dieser Schritt ausländische Investitionen anregen sollte, sofern er innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens umgesetzt wird.
Innerhalb dieser Sektoren haben wir das Bankwesen als einen Bereich identifiziert, der trotz der zunehmenden Regulierung aus Anlegersicht unserer Ansicht nach erhebliches Aufwärtspotenzial bietet.
Bei den Kunden der großen nigerianischen Banken handelt es sich um hochwertigere Unternehmen mit Potenzial für Konsolidierungsmöglichkeiten und einer gut verwalteten Kostenbasis. Der zunehmende Fokus auf alternative Banking-Kanäle trägt dazu bei, die Gebühreneinnahmen zu steigern und die Filialkosten zu senken. Gleichzeitig bieten diese Firmen ihren Anlegern Bardividendenrenditen, die über den Renditen auf Anleihen liegen. Dies bietet eine Anlagechance, die uns trotz des schwachen makroökonomischen Umfelds günstig erscheint.
Potenzielle Wachstumsaussichten für anpassungsfähige kenianische Unternehmen
Unserer Meinung nach ist Kenia mit einem durchschnittlichen Wachstum von 5,7 % in den letzten drei Jahren ein Juwel unter den größeren afrikanischen Ländern südlich der Sahara.[3] Das Land verfügt zudem über eine stabile Währung und hat über denselben Zeitraum hinweg gegenüber dem MSCI Frontier Markets Index eine respektable Aktienmarktrendite geboten.[4] Ein Teil dieses Wachstums ist auf eine stärker diversifizierte Wirtschaft, verbesserte Finanzierungsbedingungen für Infrastruktur (insbesondere Straßen) und eine auf 82 % gestiegene Alphabetisierungsrate innerhalb der Bevölkerung zurückzuführen.[5] Diese enorme Verbesserung der Lese- und Schreibfähigkeit ist das Ergebnis eines Programms, das ein kostengünstiges Frühförderprogramm zur Alphabetisierung anbietet. Es wurde eingeführt, nachdem eine kenianische Uwezo-Umfrage aus dem Jahr 2011 ergeben hatte, dass fast sieben von zehn Schülern in der dritten Klasse nicht auf dem Niveau eines Zweitklässlers lesen konnten. Einige Anleger sind zwar über die steigende Verschuldung im Verhältnis zum BIP sowie über die womöglich zu stark erscheinende Währung besorgt, wir halten das makroökonomische Umfeld insgesamt jedoch weiterhin für positiv.
Kenia weist relativ günstige aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen auf, in den letzten Jahren haben wir jedoch eine zunehmende Regulierung in verschiedenen Sektoren – vom Bankwesen bis hin zur Alkoholindustrie – erlebt. Unseres Erachtens haben Unternehmen, die sich an die Vorschriften angepasst haben, einige attraktive Anlagechancen geschaffen. Hierzu zählen auch ausgewählte Unternehmen in den vorstehend erwähnten Branchen.
Aufgrund der seit 2016 geltenden Beschränkung der Zinsen auf 4 % haben einige Banken in den letzten vier Jahren ein langsames Kreditwachstum verzeichnet. Sie haben diese Zeit genutzt, um ihr Einlagengeschäft zu stärken. Zudem haben sie sich auf alternative Finanzierungskanäle konzentriert, indem sie Partnerschaften mit Mobilfunkanbietern eingegangen sind, um ihren Kundenstamm zu vergrößern.
Eine unbeabsichtigte Folge war allerdings, dass sich die Kreditvergabe an den privaten Sektor abgeschwächt hat. Die jüngste Aufhebung der Obergrenze für die Kreditvergabe sollte einige Banken dazu anregen, ihre kostengünstigen Einlagen einzusetzen, um ihre Vermögensbasis zu erhöhten Margen zu vergrößern. Gleichzeitig dürfte die niedrigere operative Kostenbasis eine ordentliche operative Hebelung ermöglichen.
Im Fall eines dominanten kenianischen Brauunternehmens war die Zusammenarbeit mit der Regierung zur Verringerung der Auswirkungen von Verbrauchssteuern (einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuer am Herstellungsort von Waren) für beide Seiten von Vorteil. Ein überschaubareres Verbrauchssteuerreglement erhöhte die Rentabilität des Unternehmens, während die Regierung höhere Steuereinnahmen erzielte.
Mangel an Reformen in Südafrika lässt wenig Raum für Anlagechancen
Angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums, der ausufernden Korruption, des Missmanagements staatlicher Unternehmen und des politischen Stillstands enttäuscht Südafrika die Anleger nun schon seit mehreren Jahren. Ein Großteil dieser Missstände hatte sich unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma und seiner Anhänger verschärft.
Während der letzten beiden Jahre haben wir einen Richtungswechsel beobachten können. Dazu gehören ein neuer Präsident mit anscheinend besseren Absichten, eine Wahl mit anschließendem Wechsel der Kabinettsminister sowie der Versuch, die Vorstände schwacher staatlicher Unternehmen auszuwechseln. Diese Entwicklungen sind zwar nach wie vor als positiv zu werten, die Verschlechterung der Wirtschaft und der staatlichen Institutionen erfordert jedoch nach wie vor ernsthafte Aufmerksamkeit – und wird sich nicht über Nacht ändern.
Zu Beginn dieses Jahres hatten wir mehrere Reformen hervorgehoben, die unserer Meinung nach notwendig wären, um Fortschritte zu signalisieren. Aufgrund der anhaltenden Machtkämpfe innerhalb der Regierungspartei und des Widerstands der Gewerkschaften des öffentlichen Sektors, einige schwierige Entscheidungen in staatlichen Gesellschaften zuzulassen, haben wir in dieser Hinsicht jedoch nicht viel Bewegung gesehen. Es scheint, dass die Umsetzung durch die Regierung weiterhin mangelhaft ausfallen dürfte, was ein potenziell schwächeres wirtschaftliches Umfeld nach sich ziehen würde.
Angesichts dieser breiteren politischen Risiken und des schwachen Geschäfts- und Konsumklimas halten wir die Chancen in Südafrika nach wie vor für eher gering. Dies bedeutet nicht, dass wir Südafrika als Investitionsziel abtun würden– es gibt dort nach wie vor zahlreiche hochwertige Unternehmen mit soliden Managementteams. Vorerst werden wir jedoch die politischen Fortschritte weiter beobachten und nach Anzeichen auf eine deutliche Trendwende Ausschau halten, bevor wir den Markt allgemein positiver einschätzen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir dank eines Verständnisses der Fundamentaldaten von Unternehmen sowie der breiteren wirtschaftlichen, aufsichtsrechtlichen und politischen Landschaft in der Lage sind, unsere Analysen bei der Suche nach Anlagechancen in Schwellenländern – und insbesondere in der Region Afrika – zu verbessern.
Wichtige Hinweise
Die Kommentare, Meinungen und Analysen in diesem Dokument spiegeln lediglich die Ansichten des Autors bzw. der Autoren wider, dienen nur zu Informationszwecken und sind nicht als persönliche Anlageberatung oder Empfehlung für bestimmte Wertpapiere oder Anlagestrategien anzusehen. Da die Märkte und die wirtschaftlichen Bedingungen schnellen Änderungen unterworfen sind, beziehen sich Kommentare, Meinungen und Analysen auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung und können sich ohne Ankündigung ändern. Dieses Dokument ist nicht als vollständige Analyse aller wesentlichen Fakten in Bezug auf ein Land, eine Region, einen Markt, eine Anlage oder eine Strategie gedacht.
In diesem Dokument möglicherweise verwendete externe Daten wurden von Franklin Templeton („FT“) nicht unabhängig verifiziert, bewertet oder überprüft. FT haftet für keinerlei Verluste, die durch die Nutzung dieser Informationen entstehen. Es liegt im alleinigen Ermessen des Nutzers, auf die Kommentare, Meinungen und Analysen in den vorliegenden Materialien zu vertrauen. Manche Produkte, Dienstleistungen und Informationen sind möglicherweise nicht in jedem Land verfügbar und werden außerhalb der USA von anderen mit FT verbundenen Unternehmen und/oder ihren Vertriebsstellen, wie nach lokalem Recht und lokalen Vorschriften zulässig, angeboten. Bitte wenden Sie sich für weitere Informationen über die Verfügbarkeit von Produkten und Dienstleistungen in Ihrem Land an Ihren eigenen professionellen Berater.
CFA® und Chartered Financial Analyst® sind Marken des CFA Institute.
Welche Risiken bestehen?
Alle Anlagen beinhalten Risiken, auch den möglichen Verlust der Kapitalsumme. Anlagen in ausländischen Wertpapieren sind mit besonderen Risiken behaftet, darunter Währungsschwankungen sowie ungewisse wirtschaftliche und politische Entwicklungen. Anlagen in Schwellenländern, zu denen als Untergruppe die Grenzmärkte gehören, sind aufgrund derselben Faktoren mit erhöhten Risiken verbunden. Hinzu kommen Gefahren, die durch die geringere Marktgröße, die niedrigere Liquidität und das Fehlen von gefestigten rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zur Stützung der Wertpapiermärkte dieser Länder entstehen. Da diese Rahmenbedingungen in Grenzländern in der Regel noch geringer ausgeprägt sind und diverse Faktoren vorliegen, wie gesteigertes Potenzial für extreme Preisschwankungen, Illiquidität und Handelsbarrieren und Wechselkurskontrollen, werden die mit Schwellenländern verbundenen Risiken in Grenzländern verstärkt. Aktienkurse schwanken mitunter rasch und heftig. Das kann an Faktoren liegen, die einzelne Unternehmen, Branchen oder Sektoren betreffen, oder an den allgemeinen Marktbedingungen.
[1] Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook, Oktober 2019. [https://www.imf.org/external/datamapper/LP@WEO/OEMDC/ADVEC/WEOWORLD]
[2] Quelle: Internationaler Währungsfonds, Oktober 2019.
[3] Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook, Oktober 2019.
[4] Der MSCI Frontier Markets Index umfasst Unternehmen mit hoher und mittlerer Marktkapitalisierung aus 28 Grenzmärkten. Indizes werden nicht gemanagt. Es ist nicht möglich, in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in Indizes nicht berücksichtigt.
[5] Weltbank, 2018. [https://data.worldbank.org/indicator/SE.ADT.LITR.ZS]